Solchane Sachn lassen sich nicht erfinden, nicht einmal bei uns…“ So oder zumindest sehr ähnlich lautete die Schlussbemerkung nach satirischen Geschichten über österreichische insbesondere bürokratische Besonderheiten in einer Radiosendung sonntags Morgen – vor Jahrzehnten.
Ähnlich versuchen
Eri Bakali,
Susanne Rietz, Diana Kashlan, Nikolaus Firmkranz nach den Vorstellungen von „
Domestic Extremist“ im Eldorado (vormals Garage X) am Wiener innerstädtischen
Petersplatz darauf hinzuweisen, dass die kern- und Grundgeschichten ihrer gespielten Szenen leider wirklich echt sind. Der Schauspieler, der sich nun als Taxifahrer verdingen muss, weil’s zu wenige türkische Rollen gibt oder er für solche zu wenig türkisch aussieht. Die seit Jahren in
Wien lebende und arbeitende Mutter, der die Behörden „anbieten“, ihr Kind zur Adoption an den Kindesvater frei zu geben, damit ihre in
Wien geborene Tochter doch österreichische Staatsbürgerin werden könne. Aber auch dann müsse sie – und der Vater – mit Unterschrift bestätigen, dass ihre Tochter nie in ihrem Leben dem österreichischen Staat zur Last falle…
Nein, es geht nicht nur um absurde Schikanen gegenüber Menschen mit dem was so verschämt „Migrationshintergrund“ genannt wird, in diesem Stück samt Fragen und Diskussionen dreier im Bett liegender, die Szenerie beobachtender Künstler_innen geht es um zu- und Umstände über die Menschen hier und dort – in vielen Gegenden der Welt – den Kopf schütteln, sich wundern, ärgern und im einen oder anderen Fall, im einen oder anderen Land zur Wehr setzen.
Das nunmehrige Stück hat auch eine künstlerisch-performative Vorgeschichte. Rund um den erst kürzlich stattgefundenen österreichischen Nationalfeiertag begaben sich rund zwei Dutzend Menschen, vor allem Kunstschaffende in den Räumen dieses Theaters in
Klausur. Sie diskutierten über politische Zustände, gewaltfreien Widerstand und dessen Formen und, und, und – sie stritten mitunter auch ganz heftig – trotz der gemeinsamen Basis. Und sie bereiteten eine
Performance bei der sogenannten Leistungsschau des österreichischen Bundesheeres vor. Inmitten von
Panzern, Maschinengewehren, Hubschraubern usw. tauchten sie – viele bunt gekleidet oder behaart auf, setzten den Waffen, die zu beliebten Fotomotiven nicht zuletzt posierenden oder drapierter Kinder wurden, clowneskes, freches Lächeln entgegen. Als Höhepunkt des Protests schütteten sie eine Lacke voller Kunstblut vor einen
Panzer. Was ein Bub damit quittierte: „Ich hab verstanden, was ihr sagen wollt, Waffen können Tod bringen!“.
Militärs und nicht wenige Besucher_innen jedoch reagierten aufgebracht.
Videos der
Klausur und der
Performance am Nationalfeiertag füllen die Übergänge zwischen den von den vier Schauspieler_innen gespielten echten Storys, unter anderem der Verfolgung eines Karikaturisten durch den Chef eines seiner Auftraggebers. Schauderhaft. Doch Arashi Riahi, Koproduzent des Films „Everday Rebellion“ nannte das Beispiel, dass der Film von ihm und seinem Bruder Arman sich tatsächlich zu einer Plattform im Internet verbreitert habe – fast täglich kämen neue Beispiele von durchaus auch kleinen Widerstandsaktionen aus aller Welt herein.
Domestic Extremist Eine Produktion von daskunst in Kooperation mit WERK X
Künstlerische Leitung: Aslı Kışlal Text und Regie: Jet Moon Schauspieler_innen:
Eri Bakali,
Susanne Rietz, Diana Kashlan, Nikolaus Firmkranz Dramaturgie und Regieassistenz: Anna Schober
Filmische Dokumentation: Arash T. Riahi, Arman T. Riahi Expert_innen: fazzMoon (Fatih Aydoglu), Can Gülcü, Marissa Lobo, Gin Müller, Arash T. Riahi, Arman T. Riahi Bühne und Technik: Markus Liszt, Glenn Bristol Musik: Uwe Felchle Produktionsassistenz: Berk Kristal
Intervention: 50 ausgewählte Teilnehmer_innen und Facebook- Twitteruser_innen Workshop-Leitung: Sr đ ja Popović, Miro Kaygalak Danke an: Christofer Brajkovic (Funkfeuer), Derya, Nina, Senem, Rehab, Blair, Oktay, Sheri für ihre Geschichten Fotos: Bernhard Mrak, Kuba Polcik, Paulina Rola
Wann & wo? Bis 19. November, 20 Uhr Eldorado, 1010, Petersplatz 1 www.daskunst.at
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