Humor in Krisenzeiten?!

Eine Gruppe von Frauen steht auf einer Bühne während des internationalen Clownfrauenfestivals.
Wien ist derzeit Welt-Metropole des weiblichen Lachens mit Tiefgang

Gerade in Zeiten, in denen es nicht viel zu lachen gibt, brauche es vielleicht besonders viel Humor, um über bedrückende/ unterdrückende Verhältnisse zu lachen, möglicherweise auch über sich selbst und eigene Missgeschicke, meinte die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Ulrike Lunacek, zur Eröffnung des fünften internationalen ClownFrauenFestivals, des mittlerweile weltweit größten Bühnentreffens von Clowninnen. Und sie verwies nicht zuletzt auf den Auftritt von İdeal Kadın. Die gebürtige Istanbulerin, die derzeit an ihrer Masterarbeit in Berlin schreibt, tritt mit ihrem ersten Soloprogramm Süper erstmals außerhalb der Türkei auf. Und erst vor einem Jahr hatte der damalige türkische Vizepremier Bülent Arınç Frauen das Lachen in der Öffentlichkeit verbieten wollen.

Lachen gegen Herrschaftsverhältnisse

Zwei Frauen mit Clownsnasen und Sonnenbrillen posieren vor einem blauen Hintergrund.
Viele der Stücke der Clownfrauen von Brasilien bis Japan nehmen humorvoll Herrschaftsverhältnisse auf die Schaufel, oder auch sich selbst. Freitag Abend eröffnete das Festival, das 2006 zum ersten Mal stattfand, traditionell mit einzelnen Szenen fast aller beim gesamten – bis 5. Dezember dauernden Festival – auftretenden Künstlerinnen. Viele kommen ohne Worte aus, wo gesprochen wird, meist auf Englisch.

Teaser

Den Abend eröffnete Shoshinz aus Japan. Sie betritt gebückt, erniedrigt, in sich verschlossen, aber doch schrill-bunt gekleidet mit fürchterlichem Schluckauf die Bühne. Nur wenn die Musik angeht, richtet sie sich auf, vollführt ärgste Tänze, zaubert absurde Bewegungsbilder, wächst über sich hinaus. „Ich hab selber wirklich oft Schluckauf“, verrät sie nach der Show dem KiKu. „Und irgendwie klingt das manchmal wie eine Art Musik. So bin ich auf diese Show gekommen“, erzählt die frau aus Tokio mit Theater-, Tanz- und Gesangsausbildung.

Missverständnisse

Wie gesprochene Sprache zu krassen Missverständnissen führen kann, führte anschließend das Duo Pelo Cano aus Brasilien vor Augen. Beide kommen mit einem großen quadratischen Papier auf die Bühne, um in Origami-Manier einen Kranich zu falten. Die Könnerin lässt den Satz fallen, dass die andere sich vorstellen möge, die Faltungen wie Bewegungen mit dem Körper zu vollführen. Was diese prompt macht. Mit praktisch im Sekundentakt provoziertem Lachen.

Anna de Lirium, erste Österreicherin beim berühmten Cirque du Soleil bestach wie immer mit perfekter „Patschertheit“ als musikalische Clownin, die mit mehr als einem Dutzend unterschiedlich gestimmter Glocken Haydn intoniert. Und sie sorgte mit einer weggeworfenen Bananenschale für einen mehrfach durch den Abend laufenden running Gag.

Dekonstruktionen

Eine Gruppe von Frauen, einige als Clowns verkleidet, steht auf einer Bühne während des Clownin-Festivals.
Alle Clownfrauen des Eröffnungsabends
Eine der ganz Großen der Clown_in-Szene, die New Yorkerin Hilary Chaplain, demontierte sich – und damit geschönte Frauen-Idelabilder durch Slapstick. Der eleganten Frau, die die Bühne betritt um einen Monolog aus Shakespeares Julius Cäsar zum besten zu geben, bricht der Stöckel eines Schuhs ab, das von der Seite gereichte Klebeband löst die ersten Lachsalven aus. Der folgende Kleister lässt sie schnüffeln, high und bald derangiert werden. Und trotzdem strahlt sie dabei Größe aus.

Nur am Eröffnungsabend zu erleben war die Australierin Maple Staplegun mit ihren witzig-artistischen Einlagen mit bis zu einem Dutzend Hula-Hoop-Reifen gleichzeitig.

Eine Frau mit einem seltsamen Hut steht mit erhobenen Armen auf einer Bühne.
Brenda Feuerle im Himmel - wie komm ich wieder runter?
Engel Brenda Feuerle „will wieda ache“, die Vorarlberger Version vom wieder auf die Erde runter wollen. Ein riesenbuch „3 Schritte zum Fliegen“ sollen ihr helfen... – beim Abend in einer Woche zeigt sie, weshalb eigentlich. Sie ist/war Feuerwehrfrau. Da gibt’s im Himmel wenig zu tun.

Lily Curcio (Argentinien) dekonstruiert Klischeebilder von Carmen, durch ihre Erscheinung und nicht zuletzt den Gesang – in verschiedenen Versionen von schnulzig-romantisch bis heftig-hart-cool-sein-wollend. Ebenfalls als musikalische Clownin agierte Vanderleia Will aus Brasilien.

Viel Musik

Eine Frau in Uniform sitzt auf einer Bühne und spielt Trompete.
Martha Labil agierte meist eher leise als Ein-Frau-Orchester mit mindestens einem halben Dutzend Instrumenten, einmal liefert sie auch einen nicht zu überhörenden und -sehenden Auftritt
Apropos Musik: Als Ein-Frau-Orchester agierte Martha Labil mit verschiedene Akkordeons, Trompete, Nasenflöten und nicht zuletzt einer sich drehenden Glockenhaube.

Dass ein Clown/eine Clownin alles kann, demonstrierte Claudia Cantone, die Sonntag Abend mit L’Alloggio Segreto/Das geheime Hinterzimmer eine Geschichte nach Anne Franks Tagebuch spielt, am Eröffnugnsabend mit einem einfachen Ballon. Der wird in ihren Händen und mit ihren – spärlichen – Bewegungen zum „Blue Moon“.

(Wirtschafts-)Krisen

Eine traurige Clownin hält ein Schild mit der Aufschrift „Morro and TSp“.
So zugeschlagen hat die Wirtschaftskrise denn nun doch nicht, dass Heather MArie Annis allein als Morro - ohne Jasp (Amy Lee) in "Of Mice and Morro and Jasp", inspiriert von John Steinbecks "Von Menschen und Mäusen", auftreten musste. Die Kollegin war schlicht erkrankt.
Morro and Jasp aus Kanada werden Dienstag Abend – inspiriert von John Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“ – die aktuelle lang andauernde Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auch auf den Kunst- und Kulturbetrieb in einem ganzen Stück mit Humor thematisieren. Zur Eröffnung kürzten sie auch gleich eine der Darstellerinnen weg, es blieb der melancholisch interpretierte Song „I’m a Clown“.

Die schon angesprochene İdeal Kadın sorgte nicht nur in der Türkei mit „Süper“ als Perfekte Frau in allen möglichen Variationen für viele Lacher. Und sie holt auch mindestens eine Frau aus dem Publikum auf die Bühne, um ihr das Super-Gefühl zu ermöglichen.

Auf die Bühne bitten auch die russischen Clowninnen Klavy (eigentlich ein Trio) einen Gast aus dem Publikum. „Klavy in Love“ spielt mit Liebe und Gewalt – mit Luftballons und einer pinken Scherzpistole.

Drei Frauen in altmodischen Kleidern und Handtaschen stehen auf einer Bühne.
Krisen in der Krise - Trio Tris aus Tirol
Jenseits der großen Welt(wirtschafts) Krise bringen die Clownfrauen vom Trio Tris (ihre) persönlichen krisen auf die Bühne – von der leere bis zur Fülle blödeln sich die Tirolerinnen durch verschiedene Stadien und Auswirkungen derselben. Um sich letztlich selber aus dem Sumpf zu ziehen – mit einer völlig schrägen Version von „Wild thing“ – geblasen auf drei Flöten!

Rahmenprogramm

Neben den Shows – meist zwei pro Abend (19.30 bzw. 21 Uhr Beginn) und Workshops (5. Bis 7. Dezemer), steht am 30. November auch ein Vortrag plus Diskussion auf dem Programm: Humor in der Krise“ – von Einsätzen in Krisen- und Kriegsgebieten, Flüchtlingslagern...

Clownin
Internationales Clownfrauen-Festival

Mit Clowninnen aus Brasilien, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Österreich, Russland, Schweden, der Türkei
Koproduktion theater super.nova & KosmosTheater

Zwei Frauen lächeln vor einem grauen Hintergrund in die Kamera.
Die beiden Festival-Erfinderinnen und -Leiterinnen Pamela Schartner und Gaby Pflügl
Wann& wo?
Bis 5. Dezember
KosmosTheater
1070, Siebensterngasse 42
Telefon (01)523 12 26
www.kosmostheater.at

Diskurs (30. November: Humor in der Krise) und Closing Party bei freiem Eintritt!

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