Der Ball zwei Mal auf Bühnen

Steht er bei „Dr. Österreicher sieht fern“ im Wiener Kosmos-Theater im Zentrum, so spielt er in „Der Kick“ der Jungen Burg im Vestibül des Burgtheaters weniger als eine Nebenrolle, einen Schlenker. Bei der Premiere stieg der Zahntechniker- vulgo Akademikerball ja nur wenige Meter entfernt. Dazwischen das Konzert der Initiative „Zeichen setzen“ sowie eine der kundgebungsgruppen gegen den Rechts-Walzer.

Sieben junge Darsteller_innen aus dem Theaterjahr der Jungen Burg zeigen in einer szenischen Collage fast wie mediale Blitzlichter dieses Stück, das nur ca. zwei Jahre nach dem Prozess gegen die jugendlichen Mörder des 16-jährigen Marinus Schöberl von Andres Veiel und Gesine Schmidt geschrieben wurde. Nicht nur die beiden Brüder und ihr Mittäter, auch das Umfeld des Dorfes in the middle of no-where am Rande der ehemaligen DDR wird beleuchtet. Das Biotop der Verlierer, derer, die bloßstellen, dass der „Antifaschismus“ des einstigen „Arbeiter- und Bauernstaates“ offenbar häufig und weitgehend Worthülse, Phrase geblieben sein musste. Denn „deutsch denken“, Fremde zu „Juden“ machen, das schien der Halt für die Täter, die Marinus zu Tode folterten.

Ins Originalstück, das eher distanziert inszeniert ist und dennoch berührt – eine noch berührendere Version schufen vor ein paar Jahren Jugendliche der W@lz, der alternativen Oberstufenschule in Wien-Penzing – ist kurz gegen Ende auch eine Anspielung auf Teutschtum einerseits und In-Besitznahme der Hofburg durch jene dieses Geistes eingebaut.

TV-Formate, Bühnenklassiker

Eine Art skurrile Revue, die immer wieder für Lacher sorgt, nimmt den genannten Ball und die auf und von ihm verströmte Geisteshaltung aufs Korn. Vier Autor_innen schrieben Texte für drei gespielte TV-Formate: „Am Schauplatz Hofburg“, „Club 3000“ und „Messer Gabel Hirn“ werden explizit als Sendungstitel eingeblendet, weitere Formate wie „Next Top Model“ oder „ Dschungelcamp“ leicht angespielt.

Mixtur

Fernsehsituationen aufgreifend sollte aber Anleihe an Theaterklassikern von Thomas Bernhard (Heldenplatz), Max Frisch (Biedermann und die Brandstifter) und Peter Handke (Publikumsbeschimpfung) genommen werden genommen werden. Kein leichtes Unterfangen. Irgendwie scheint das knapp mehr als einstündige Stück ein bisschen wie ein Mix aus Fernseh-Zappen einerseits und irgendwie gegen Rechts sein - von Hirnwixerei über verächtlich, herablassendes Auslachen bis zu doch grundsätzlicher Haltung.

Der Kick
Andres Veiel und Gesine Schmidt

Mit Teilnehmern des TheaterJahrs:
Jutta Schönfeld, Mutter von
Marco und Marcel/Bürgermeister 1 Marlene Del Bello
Verhörender/Gutachter/Sandra B.,
Freundin von Marco Lara Feith
Birgit Schöberl, Marinus‘ Mutter Magdalena Lermer
Staatsanwalt/Torsten M., Matthias‘
Vater/Bürgermeister 2 Josef Rabitsch
Jürgen Schönfeld, Vater von Marcel und
Marco/Pfarrer/Marco Schönfeld Frederik Rauscher
Marcel Schönfeld Aaron Röll
Achim F., Dorfbewohner/Matthias M.,
Marinus‘ Freund/Heiko G., Marcels
Freund Moritz Winklmayr

Regie Peter Raffalt
Bühne und Video Dominique Wiesbauer
Musik Matthias Jakisić
Kostüme Elke Gattinger
Dramaturgie Claudia Kaufmann-Freßner

Wann & wo?
Bis 27. März
Vestibül des Burgtheaters
Karten: Telefon: (01) 513 1 513
Burgtheater

Dr. Österreicher sieht fern
Stück in 3 Fernsehsendungen und 2 Werbepausen
Koproduktion Nestbeschmutzer&Innen / KosmosTheater

Texte: Martin Fritz, Thomas Köck, Gerhild Steinbuch, Cornelia Travnicek
Es spielen: Peter Bocek, Nikolaus Firmkranz, Maria Fliri

Regie: Susanne Draxler
Ausstattung: Gudrun Lenk-Wane
Video: Peter Hirsch
Musikdesign: Martin Holter
Licht: Helen Farnik

Wann & wo?
Bis 14. Februar
KosmosTheater
1070 Wien, Siebensterngasse 42
Telefon: (01) 523 12 26
kosmostheater