Glücklich verwurzelt: Internationale Küche von Lobauer Feldern

Ein orangefarbener Kürbis hängt in einem Garten, während eine Frau im Hintergrund spaziert.
Menschen ferner Länder kultivieren Gemeinschaftsfelder und erkochen den Geschmack ihrer Heimat. Heidi Strobl (Text) & Jeff Mangione (Fotos)

Bunte, schwere Kürbisse baumeln an langen, hochgezogenen Ranken, darunter wachsen Paradeiser, Chili, Salate: so wird auf den Philippinen Gemüse gezogen. Diese traditionelle Kulturform bietet nicht nur Platz für mehr Pflanzen, sondern sorgt auch für das entsprechende Kleinstklima – unten schattig und geschützt, oben luftig und trocken. Rund 2.500 Quadratmeter Boden stehen der philippinischen Community derzeit am Areal der „Kleinen Stadtfarm“ zur Verfügung, 27 Familien pachten es gemeinsam und nützen es bis zum letzten Winkel. Wasserspinat, Bittergurken, Flaschenkürbisse, überlange Fisolen – vieles ist hier zu entdecken, was wir sonst nur als Importware aus Fernost kennen. Inmitten des grünen Paradieses hat sich die philippinische Community eine Outdoorküche eingerichtet. Hier verbringen die Mitglieder einen Großteil der Zeit, die ihnen neben ihren Jobs etwa als Krankenschwester, Hotelmitarbeiter oder Reinigungskraft bleibt. Quirlig und heiter ist die Stimmung, es wird gescherzt und gelacht.

Eine Gruppe von Menschen isst im Freien unter einem Weindach zu Mittag.

27 philippinische Familien pflegen gemeinsam eine Fläche von 2.500 Quadratmetern.

Während eine der Frauen für die  Klebreisbällchen mit süßem Mungbohnenpüree füllt, um sie dann in Sesam zu wälzen und zu frittieren, bereitet eine andere „Ginisang Munggo“ zu – einen pikanten Eintopf mit Shrimps, Tofu und jeder Menge von den Blättern der Bittergurken. In der winzigen Kochnische entsteht inzwischen aus den Früchten der Bittergurke „Ampalaya“, ein schnelles Gericht, das man auf den Philippinen gern zum Frühstück isst. „Das ist alles hier gewachsen“, sagt Christina stolz und zeigt auf einen kleinen Tisch mit frisch geerntetem Gemüse. Sie und ihr Mann haben die Gärten vor sechs Jahren entdeckt und sich um ein Stück Land beworben.

Mit dem Land verwurzeln

Der „Verband Kleine Stadtfarm“ wurde 2012 von Nikolai Ritter, Mike Graner und Patricia Ermes auf den Flächen des legendären Biohofs Polzer  gegründet, umfasst derzeit rund 5 Hektar Land inmitten der Lobau und ermöglicht es 15 in- und ausländischen Initiativen, ihre gärtnerischen Träume zu verwirklichen. „Aber nicht auf Kosten der Natur“, betont Ritter.

Drei Frauen bereiten im Freien Speisen zu, darunter Sesamkugeln.

Die improvisierte Outdoor-Küche ist Ort der Begegnung und zweites Wohnzimmer während der warmen Jahreszeit

Begonnen hat alles mit der Gruppe der „Lobauerinnen“, nach und nach kamen immer mehr Projekte dazu. Die Nachfrage ist groß, platzmäßig ist man an die Grenzen gelangt. „Die Sehnsucht danach, sich auf diese Art im wahrsten Sinne des Wortes zu verwurzeln, ist groß. Das gilt besonders für Menschen aus anderen Kulturen.“ Verpächterin ist die Stadt Wien. „Bei der Menge an Anfragen könnten wir wahrscheinlich nochmal so viel Fläche brauchen“, schätzt Ritter.

Viel geliebtes Gandana 

Seit zwei Jahren bewirtschaften auch mehrere afghanische Familien gemeinsam ein kleines Feld. Sie nützen es hauptsächlich zum Kultivieren des Lauchgewächses „Gandana“, das für ihre Nationalspeise „Bolani“ unerlässlich ist.

Eine Gruppe von Menschen sitzt an einem Picknicktisch und isst gemeinsam zu Mittag.

Ab und zu kommen die Familien mit zu den Feldern und es wird gespielt, gekocht, Tee getrunken

Während die Männer sich um die Gärten kümmern, füllen und backen die Frauen mit Blick auf die tobende Kinderschar die Teigtaschen, die in Afghanistan immer und überall gegessen werden. Zum schwarzen und grünen Tee wird derselbe Germteig wie für die Taschen ungefüllt gebacken, dafür in spezieller Form, und zwar als „Gush Fil“, was übersetzt Elefantenohr heißt. Die Kinder lieben dieses knusprige, süße Gebäck, das geschmacklich an unsere „Schneeballen“ erinnert. Gandana gibt’s übrigens im „LoBauer(n)Laden“ vor Ort auf Wunsch frisch geschnitten (Neufahrtweg 14, Wien 22, Di - Fr, 11-19 Uhr).

Ein kleines Mädchen isst ein Stück Brot.

Elefantenohr heißt das süße, knusprig gebackene Teigstück, an dem das afghanische Mädchen so bedächtig knabbert.

Auch das hübsche „Café im Leo“ befindet sich am Areal, in dem sonntags ganztags orientalisches Frühstück angeboten wird. Und eines wird wieder einmal klar: So unterschiedlich die Kulturen auch sein mögen – beim Gießen, beim Unkrautzupfen und beim Zwiebelschneiden sind alle gleich. 

Ein Gericht mit Bittermelone, Tomaten und Zwiebeln in einer Schüssel.

Vorspeise oder Frühstück: AMPALAYA

Zutaten:
1-2 Zwiebeln, 4 Knoblauchzehen, Rapsöl, 3-4 Paradeiser, 3 Bittergurken, 4 Eier, Salz

1 Zwiebeln und Knoblauch schälen,  fein schneiden. Paradeiser würfeln. Bittergurken halbieren, die Kerne auskratzen, das Fruchtfleisch samt Schale schräg in Streifen schneiden.
2 Zwiebeln in Öl anschwitzen, Knoblauch dazugeben. Paradeiswürfel unterrühren und kurz mitbraten, dann die Bittergurken dazugeben. Die Eier versprudeln und unterrühren. Mit Salz oder salziger Fischsauce würzen.

Zwei Kräuterfladen liegen auf einem Teller neben einem Glas Tee auf einem Holztisch.

Allzeit Essen: BOLANI

Zutaten:
Für den Teig: 1 kg glattes Mehl, 1/2 Würfel Germ, ca. 200 ml Wasser
Für die Fülle: 1 kg gekochte Erdäpfel, 1 dicker Bund Gandana (ersatzweise Jungzwiebeln), Salz, Pflanzenöl

1 Die Zutaten für den Teig glatt verkneten und eine Stunde rasten lassen. Dann teilen und faustgroße Kugeln daraus formen. Erdäpfel kochen, schälen und zerquetschen. Gandana fein schneiden. Erdäpfel mit Gandana verrühren, mit Salz würzen.
2 Die Teigkugeln auf einer mit Mehl bestäubten Fläche ausrollen, dann mit den Händen in möglichst dünne Kreise ziehen, ohne dass Löcher entstehen.   Auflegen, die Hälfte mit 1-2 EL Fülle  bestreichen, zusammenklappen, die Ränder gut zusammendrücken. In heißem Öl beidseitig goldbraun backen. Dazu wird traditionell scharfes, grünes Chutney und Joghurtsauce mit Gurke gereicht.

 

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