Die Ampel ist 100
Wenn man es genau nehmen möchte: Die Ampel ist bereits 146 Jahre alt. Im Jahr 1868 treten am Londoner Parliament Square Polizisten auf den Plan. Tagsüber regeln sie nach eigenem Gutdünken den Verkehr mit roten und grünen Signaltafeln, nächtens mit rot und grün schimmernden Gaslaternen.
Doch diese Frühform einer Ampel ist mehr ein Schicksal denn eine Errungenschaft: Drei Wochen nach Inbetriebnahme explodiert die Gaslaterne und verletzt den diensthabenden Verkehrspolizisten schwer.
Ampel auf Grün
Es dauert dann fast ein halbes Jahrhundert, konkret bis zum 5. August 1914, als man in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio den signaltechnischen Durchbruch auf der Straße schafft. Es ist exakt 17 Uhr, als die Menschen an der Kreuzung der Euclid Avenue mit der East 105th Street zum ersten Mal Rot (für Stopp) und Grün (für Vorwärts) sehen. Betrieben wird die Anlage von Polizisten. Die sitzen in einer kleinen Hütte neben der Straße, drücken diverse Knöpfe und eine Klingel, um die Vorbeikommenden auf den Farbwechsel aufmerksam zu machen.
Den ersten Farbwechsel beobachtet eine ganze Menge von VIPs, unter ihnen die Mitglieder der Kommission "Safety First", Vertreter des Stadtsenats, der örtlichen Handelskammer, des Automobilclubs, von Versicherungen und der Eisenbahn sowie Fotografen und Zeitungsreporter. Einig sind sich alle, dass die neue Anlage die Verkehrssicherheit deutlich erhöhen werde.
Heute gilt die Ampel als ein Symbol für die Massenmotorisierung, die in Europa in den 1950er-Jahren eingesetzt hat. Freie Fahrt für freie Bürger! So lautet damals das Motto. Gemeint ist damit vor allem: Freie Fahrt für Autofahrer. Eine Vision, die zunehmend auf Kritik von Fußgängern, Radfahrern und Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel stößt.
In einer Zeit, in der die ersten Städte rückgebaut und Begegnungszonen geschaffen werden, steht auch die gute alte Ampel zur Disposition. Noch verdienen Firmen wie Siemens oder die Swarovski-Tochter Swarco-Futurit (mit Produktionsstandort in Oberpullendorf) gutes Geld mit ihren Ampelanlagen.
Ampel auf Orange
Bettina Urbanek vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) geht davon aus, dass sich das Geschäft der Ampelbauer in den kommenden 100 Jahren grundlegend ändern wird: "Es wird weiterhin Ampeln geben, aber es werden schon bald deutlich weniger sein als heute."
Vor allem in Wohngebieten wird das Prinzip "Miteinander statt gegeneinander" dazu führen, dass die Menschen keine Signalanlagen mehr brauchen. Beispiele dafür gibt es bereits, etwa in Deutschland und in den Niederlanden. Auf viel befahrenen Straßen, auf denen Verkehrsteilnehmer mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aufeinandertreffen, werden intelligentere Systeme zum Einsatz gelangen. Vorrang für Straßenbahnen und Autobusse gibt es heute bereits, auch eigene grüne Wellen für Radfahrer, nach dem Vorbild der Trendsetterstadt Kopenhagen.
Ampel auf Rot
Für Markus Schneider vom ÖAMTC ist die Ampel dennoch eine Erfolgsgeschichte: "Früher war eine Ampel ein Prestigeobjekt für eine Gemeinde, man musste zumindest eine Fußgängerampel haben, sonst galt man als hinterwäldlerisch." Im 21. Jahrhundert lautet die Zauberformel: Vernetzt euch! "Die Schaltung der Anlagen wird zunehmend auf Ereignisse im Umfeld, etwa auf ein Fußballspiel, Rücksicht nehmen."
Das eigentlich Faszinierende an der Ampel ist für den Verkehrstechniker aber ihre Einfachheit. "Sie gibt klare Regeln wider. Rot und grün wird auf der ganzen Welt verstanden."
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