Österreichische Musiker erobern das englischsprachige Ausland
„How was your trip?“ Marcus Füreder, der Mann hinter Parov Stelar, wundert sich. Warum begrüßt ihn der Veranstalter des oberösterreichischen Festivals, zu dem er gerade angereist ist, auf Englisch? „Ich bin mit dem Auto da, eine halbe Stunde gefahren“, antwortet er. Der Veranstalter ungläubig: „Sie sprechen Deutsch?“
Der Vorfall ist 15 Jahre her. Damals war Füreder mit seinem Electroswing, dem Genre, das er begründet hat, im Rest der Welt ein Star. Einer, den Österreicher einkauften, ohne zu ahnen, dass er aus Linz kommt.
„Dass ich vor Österreich im Ausland bekannt war, ist einfach passiert“, sagt Füreder. „Ich habe die ersten Tracks gemacht, die über Vertriebe zu einem internationalen Publikum gekommen sind. Meinen ersten Auftritt hatte ich in Italien, dann kamen Griechenland und andere Länder. Das war kein Plan. Ich wusste nur immer, dass ich nicht nur in Österreich bleiben will, und war sicher, dass ich das kann.“
Und wie er es kann. Parov Stelar trat 2016 beim Coachella, dem renommiertesten Festival der USA, auf. Mit seiner unwiderstehlichen Show versetzt er von Moskau über New York bis Los Angeles, von Singapur über Korea bis Indonesien regelmäßig an die 10.000 Fans in Euphorie. Sein einziger Österreich-Auftritt heuer ist am 3. Juli beim Elwood Festival in Ort im Innkreis.
Lange Zeit war eine Auslands-Karriere wie die von Parov Stelar nur Falco oder der Welle der Wiener Elektronik-Szene mit Acts wie Kruder & Dorfmeister und Dzihan & Kamien gelungen. Doch jetzt pfeifen immer mehr Englisch singende österreichische Musiker auf Ländergrenzen und erobern die Welt weit außerhalb des deutschen Sprachraums. Soap & Skin, Avec, die Progressive-Rock-Band Mother’s Cake und die Jazzformation HI5 touren regelmäßig in Europa und den USA.
„Da hat sich in den letzten Jahren wahnsinnig viel getan“, sagt Tatjana Domany, Projektleiterin Export beim österreichischen Musikfonds, der gemeinsam mit dem österreichischen Musikinformationszentrum (mica) die Initiative Austrian Music Export betreibt. „Das liegt einerseits am Internet. Dadurch können Acts mit ihrer Musik auf der ganzen Welt gleichzeitig präsent sein, ohne wie früher erst von einem Label aufgegriffen werden zu müssen, das ihr Album nach und nach auch in anderen Ländern veröffentlicht – oder eben auch nicht. Außerdem können sich Musiker, Veranstalter und Labels durch die digitalen Möglichkeiten weltweit viel besser vernetzen.“
Der Vormarsch von Acts wie Mavi Phoenix liegt aber auch an den Förderungen, die der Austrian Music Export in Allianz mit Partnern wie IFPI, AKM, der Wirtschaftskammer und der Sektion Kunst und Kultur des Bundeskanzleramtes vergibt. So wurden 2018 rund 250.000 Euro in den Musik-Export gesteckt. Mavi Phoenix hat davon profitiert. Genauso die Band Leyya, die 2018 in Mexiko City und beim Showcasefestival SXSW in Austin/Texas war.
„Speziell bei Showcase-Festivals sind die Gagen minimal“, erzählt Sängerin Sophie Lindinger. „Da kriegt man 100 oder 200 Euro, das reicht oft nicht einmal für den Flug für eine Person. Ohne finanzielle Unterstützung wären solche Auftritte nicht möglich.“ Sie sind aber extrem wichtig, um einen Act international vorzustellen. Obwohl Domany und ihr Team auch Hilfestellung bei Behördenwegen geben, liegt ihr Fokus deshalb darauf, mit Showcase-Festivals wie SXSW, dem Reeperbahn Festival in Hamburg und dem Eurosonic in Holland zusammenzuarbeiten, um „Karrieren anzuschieben“. Auch, wenn es dort selten zu Vertragsabschlüssen kommt. Aber:„Die Agentin, die uns nach Mexiko holte, hat uns auf einem Showcase-Festival entdeckt“, sagt Lindinger. „In die USA hatten wir schon vorm SXSW Kontakte, aber erst dort konnten uns diese Leute live sehen und kennenlernen.“ Das Resultat: Leyya haben ihr Album an ein US-Label und Songs für Filme lizenziert.
Es gibt aber auch österreichische Acts, die den Sprung ins englischsprachige Ausland ganz ohne Förderung geschafft haben. Dazu gehören Cid Rim und Dorian Concept, aber auch Camo & Krooked und Klangkarussell, die in England Stars sind und von der BBC stark unterstützt werden. Schon weltweit bekannt ist die Wiener Elektronik-Formation HVOB, die in 30 Ländern, darunter Indien, China und Südafrika Auftritte hatte. Was alle diese Acts gemeinsam haben: Eine mitreißende Liveshow und – vielleicht am wichtigsten – einen unverwechselbaren Sound.
Auch Möwe haben es so ganz ohne Förderung zu internationalem Ruhm gebracht. „Wir haben soundmäßig nur das gemacht, was uns Spaß gemacht hat“, sagt Sängerin Melanie Ebietoma. „Die ersten Ergebnisse haben wir auf Soundcloud gestellt, und es hat sich von dort total schnell verbreitet. Wir hatten das Glück, damit genau den richtigen Sound zur richtigen Zeit zu bringen und am Anfang der Tropical-House-Welle zu sein. In Brasilien und Asien haben sie uns dafür abgefeiert. Dadurch kamen erste Anfragen, dort Shows zu spielen, und wir sind hingefahren. Danach haben uns immer mehr Veranstalter gebucht, weil die ja auch vernetzt sind und sich gegenseitig erzählen, welcher Act bei ihren Festivals gut funktioniert hat.“
Derartige weltweite Erfolge sind aber nicht notwendigerweise auf englischsprachige Austro-Sounds beschränkt. Bilderbuch traten 2017 beim G!-Festival auf den Färöer-Inseln auf. „Das war schon cool“, sagt Sänger Maurice Ernst. „Natürlich grinst du über beide Ohren,wenn dort diese nicht deutschsprachigen Menschen ,Bungalow’ singen. Wir könnten sicher auch in einem Club in London spielen und ihn mit 1000 Leuten voll kriegen. Der Song ,LED Go’ wird in den USA genauso oft gestreamt wie in Österreich, und es kommen immer wieder auch Konzertangebote von dort. Aber dann sollst du für eine Gage, die für Europa okay wäre, nach Minneapolis fliegen. Man müsste einfach viel öfter spielen, wenn man schon dort ist. Die Frage ist, wie du dir deine Zeit einteilen willst. Und wir schreiben halt sehr lange an unserer Musik. Klar, wenn es sich richtig anfühlt, machen wir solche Shows. Aber ich schreibe lieber noch drei Songs und bin dann damit die einzige Option, wenn jemand ein deutschsprachiges Lied für einen Film braucht.“
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