An den Grenzen der Fotografie

Drei Männer umarmen sich in einer engen Umarmung.
Wolfgang Tillmans gilt als Ausnahmekünstler unter den Fotografen. Eine Schau zeigt sein facettenreiches Werk.

Von der Ratte im Gulli bis in den Sternenhimmel reicht das künstlerische Universum von Wolfgang Tillmans. Schon mit Anfang 30 wurde der Fotograf mit dem renommierten britischen Turner Preis bedacht, dabei kommt er aus Remscheid und nicht aus England. Als Ausnahmekünstler wird der heute 44-Jährige von Großbritannien bis Japan gefeiert. In Deutschland schockierte er Anfang der 90er Jahre mit Fotos aus der Techno- und Schwulenszene, mit zur Schau gestelltem Sex.

Jetzt breitet Tillmans in einer Gesamtinstallation sein künstlerisches Schaffen der vergangenen 25 Jahre im Düsseldorfer Ständehaus aus. Jeden Raum, jede Wand der Ausstellung (bis 7. Juli) hat er selbst komponiert. Die Bilder formieren sich so zu neuen Kunstwerken, werden dem „rationalen Zugriff entzogen“, wie die Direktorin der Kunstsammlung NRW, Marion Ackermann, sagt. In die Kunsträume von Tillmans einzutauchen, erfordert volle Konzentration von Geist und Auge.

Impressionen der Ausstellung

Eine Gedenkstätte mit Blumen, Kerzen und Graffiti-Botschaften wie „Wandelt Wut und Trauer in Widerstand“.

Zwei Männer küssen sich.

Drei Männer umarmen sich in einer dunklen Umgebung.

Ein offenes Fenster mit einer Lilie in einem Glas und Postkarten auf dem Fensterbrett.

Verschiedene Pflanzen wachsen in einem grünen Behälter im Innenbereich.

Zwei barfüßige Personen sitzen in Mänteln auf den Ästen eines Baumes.

Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Grenzübergangs mit Drehkreuzen und Wachhäuschen.

Judasohren wachsen an einem Baumstamm.

Eine Landschaft mit Bäumen unter einem gelb-orangefarbenen Himmel mit roten Flecken.

Kate Moss sitzt in einem roten Kleid und Sandalen auf einem Stuhl vor einem grünen und roten Hintergrund.

Abstrakte Darstellung von blauen und schwarzen Farbtönen.

Abstrakte Darstellung von blauen Farbwirbeln.

Abstrakte Darstellung von blauen und weißen Farbtönen mit dunklen Linien.

Nahaufnahme eines Scheinwerfers eines weißen Autos.

Eine Ausstellungsgalerie mit Fotografien von Himmelskörpern und Naturmotiven.

In einer Kunstgalerie hängen mehrere abstrakte Gemälde an den weißen Wänden.

In einer Kunstgalerie hängen verschiedene Fotografien an den weißen Wänden.

In einer Kunstgalerie hängen verschiedene Kunstwerke an den weißen Wänden.

Das Cover des Buches „Neue Welt“ von Wolfgang Tillmans zeigt einen Sternenhimmel.

Ein Tukan steht vor einer Schale mit Obststücken.

Ein Mann im traditionellen Gewand lehnt an einem pinkfarbenen Auto.

Tosendes Wasser stürzt einen Wasserfall hinunter.

Ein Koboldmaki klammert sich an einen dünnen Ast im Dschungel.

Eine Gruppe von Menschen sitzt und steht auf einem Markt im Freien.

Da sind die großformatigen Himmelsbilder vom seltenen Venustransit an der Sonne vorbei. Daneben hat Tillmans ein kleines Foto von weißen Eiern in gestapelten Eierkartons gehängt. Ein Porträt seiner Mutter hängt neben einem Modelfoto. Große und kleine Formate hängen mal hoch oben, mal in Haufen, mal mit Rahmen, mal nur mit Klebeband befestigt an den Wänden.

Ausruhen kann das Auge nur in fast meditativen Räumen mit großen monochromen „Freischwimmer“-Abstraktionen in Blau und Grün, die übrigens ohne Fotoapparat in der Dunkelkammer entstanden, oder bei der „Lighter“-Reihe, wo belichtetes Fotopapier in vielen schönen Farben gefaltet in Plexiglasvitrinen liegt. Tillmans überschreitet die Grenzen zur Malerei und Objektkunst, und es ist vielleicht kein Zufall, dass er die Künstlerin Isa Genzken als ein Vorbild nennt.

Ästhetischer Bruch als Konzept

Inmitten von Fotos hängt eine Jacke aus Textilien, Plastik, Fotos und Folie. Immer wieder streut Tillmans frühe Zeichnungen und Selbstporträts ein. Manchmal scheint er Malerei zu zitieren, wenn er etwa einen dramatischen Wolkenhimmel in der Art eines Caspar David Friedrich als Tintenstrahldruck präsentiert. Daneben hängt dann ein Foto von 1992 mit einer Turnhose, einem Stuhl und Sandalen. Der ästhetische Bruch gehört zum Konzept.

Tillmans ist ein „Anti-Gursky“. Andreas Gursky, der seine Bilder so stark am Computer bearbeitet, dass sie wie Gemälde aussehen, ist der andere Pol der Fotografie. Bei Tillmans zählt die Authentizität. „Das, was in den Medien gezeigt wird, ist alles überarbeitet“, sagt er. „Diese Linie will ich nicht überschreiten.“ Erst vor wenigen Jahren hat Tillmans seine Vorbehalte gegen digitale Kameras aufgegeben. Und er gibt auch zu, mit dem Handy Fotos zu machen. Doch das verschafft ihm keine Zufriedenheit. „Es entspricht nicht meiner Sehweise.“

Politische Dimension

Die Arbeiten von Tillmans haben zumeist auch eine politische Dimension. Wie eine von einem Lichtblitz durchschossene Nacht wirkt ein Darkroom in einer Schwulen-Disco, während an der gegenüberliegenden Wand das in Rot getauchte Bild einer Gedenkstätte für den 1992 von Neonazis erstochenen Hausbesetzer Silvio Meier hängt. Er selbst habe in seinem Leben nie eine Trennung von Privatem und Gesellschaftlichem gekannt, sagt Tillmans. „Ich wollte aber nie ein schwuler Künstler sein.“ Tillmans will auch nicht als „politischer Künstler“ oder gar als „Fotokünstler“ gelten. „Ich sehe meine Arbeit als eine Verstärker-Funktion.“

Man mag sich bei den Luftaufnahmen von Städten aus dem Flugzeug oder Blumenbildern fragen, was die Berühmtheit von Tillmans eigentlich ausmacht. Es ist wohl das Gesamtkunstwerk. Im übrigen sei „jedes Bild auch als Einzelbild geprüft“, betont er.

Das Cover des Buches „Neue Welt“ von Wolfgang Tillmans zeigt einen Sternenhimmel.
Kürzlich ist im Taschen Verlag auch ein Buch erschienen: Wolfgang Tillmans "Neue Welt".
Darin sind Fotos zu sehen, die der Fotograf auf seiner Weltreise gemacht hat.

Tipp: Wolfgang Tillmans. Neue WeltSoftcover, 22,7 x 30 cm, 216 Seiten, € 29,99
Kürzlich erschien im Taschen Verlagauch der Bildband " Neue Welt". Darin präsentiert Tillmans Fotos seiner zahlreichen Reisen. Es sind Bilder von einer Welt, die sich rasant verändert. Es sind Blicke auf die Realitäten unseres Planeten, auf soziale Situationen mit Menschen und Märkten, Technologie und Architektur, jedoch auch auf die Natur, auf Tiere, Pflanzen und den Sternenhimmel.

Info zur Ausstellung: Wolfgang Tillmans
noch bis 07.07.2013
K21 Ständehaus Düsseldorf
www.kunstsammlung.de

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