Mehr als zehn Jahre lang kümmerte sich das Ehepaar Kreuzer um den General und seine Frau, und als der alte Herr 1962 starb, wurden Erich und Hermine Kreuzer zur Testamentseröffnung geladen. „Wir fielen aus allen Wolken, als uns der Notar mitteilte, dass uns der General aus Dankbarkeit für die treuen Dienste das Schlössl vermacht hat.“
Es ist ein kleines Schloss mit großer Geschichte, das der Gärtner und die Haushälterin geerbt hatten. Errichtet in seinen Ursprüngen im 16. Jahrhundert, gehörte es acht Jahre lang Emanuel Schikaneder, dem Librettisten der „Zauberflöte“, 16 Jahre dem Komponisten Franz Lehár und 14 Jahre dessen Bruder, General Anton Lehár. Dazwischen lebte hier noch ein gutes Dutzend, meist adeliger Herrschaften, aber niemandem gehörte das Schlössl auch nur annähernd so lange wie Frau Kreuzer: Sie ist auf dem Anwesen seit 68 Jahren zu Hause, und seit 57 Jahren befindet es sich in ihrem Besitz.
Hermine Kreuzer, deren Mann vor acht Jahren starb, führt mich durch die ehrwürdigen Räume in der Nußdorfer Hackhofergasse 18 und zeigt mir ihre Schätze. Da hängen Bilder, Handschriften und Theaterprogramme der beiden prominentesten Vorbesitzer Schikaneder und Lehár, da befinden sich Originalsessel und -kostüme der „Zauberflöten“-Uraufführung, ein Tragsessel, auf dem Schikaneder ins Theater getragen wurde, da stehen Lehárs Klavier und sein Schreibtisch, auf denen er „Die Lustige Witwe“, komponierte. In einer Vitrine liegt Lehárs Taschenuhr und ein Taktstock (den er nie verwendet hat, weil er zu schwer zum Dirigieren war). Und Frau Kreuzer zeigt mir die schlosseigene Hauskapelle, in der der weltberühmte Tenor Richard Tauber 1936 geheiratet hat – mit Franz Lehár als Trauzeugen.
Als das Ehepaar Erich und Hermine Kreuzer das verwunschene Schlössl am Rande der Nußdorfer Weinberge übernommen hatte, war die Sorge mindestens so groß wie die Freude: Wie sollten sie das wertvolle Erbe erhalten? Das Gebäude ist 800 Quadratmeter groß, der Garten 2500 Quadratmeter.
„Es war nicht leicht, aber wir haben es geschafft“, sagt Frau Kreuzer. „Mein Mann und ich blieben in der kleinen Dienstbotenwohnung und haben den Großteil des Hauses vermietet“. Außerdem führt Hermine Kreuzer auch heute noch mit ihren 95 Jahren – gegen Voranmeldung – persönlich durch die Prunk- und Arbeitsräume Schikaneders und Lehárs und veranstaltet im Sommer Hauskonzerte. „Die Führungen und Konzerte machen mir große Freude und geben mir viel Kraft“, sagt sie. „Die Leute kommen aus aller Welt, um das Schlössl zu besichtigen“. Jedes Jahr werden rund 1000 Besucher gezählt.
Emanuel Schikaneder hatte das Schlössl von den Einnahmen der „Zauberflöte“ gekauft und hier von 1803 bis knapp vor seinem Tod 1812 gewohnt.
Franz Lehár erwarb das Anwesen 1932 – vermutlich mit den Tantiemen der Erfolgsoperette „Land des Lächelns“, die ab Donnerstag bei den Seefestspielen Mörbisch gezeigt wird.
Natürlich weiß Frau Kreuzer bei ihrer Führung durch das Schlössl auch mit so manchem G’schichterl aufzuwarten: Franz Lehár liebte seine Frau Sophie zwar, doch für seine Arbeit brauchte er absolute Ruhe. Das ging soweit, dass er sich im Dachgeschoß eine Mansarde bauen ließ, in der er bei versperrten Türen komponierte. In diesen Räumen entstand 1933 seine Operette „Giuditta“.
Das Ehepaar Lehár verließ das Schlössl im Kriegsjahr 1944, um in seine Villa in Bad Ischl zu ziehen, in der der Meister der Silbernen Operette 1948, ein Jahr nach seiner Frau, starb.
Franz Lehárs Haupterbin war seine Schwester Emmy – die durch die enormen Tantiemenzahlungen aus aller Welt zu einem gigantischen Vermögen gelangte – doch das Schlössl bekam sein Bruder Anton von Lehár, der 1921 an der Seite von Ex-Kaiser Karl erfolglos für die Wiederherstellung der Monarchie gekämpft hatte. Da sowohl Franz als auch Anton Lehár kinderlos blieben, fiel das Schikaneder-Lehár-Schlössl dem Ehepaar Kreuzer zu. Hermine hat den „Herrn Baron“, wie sie Anton Lehár heute noch nennt, in bester Erinnerung, „er hat uns wie seine eigenen Kinder behandelt“.
Auch Hermine Kreuzer hat keine Kinder, doch wie es mit dem Schlössl in Wien-Nußdorf weitergeht, ist längst geregelt. Erben sind „jüngere Leute, die sich verpflichtet haben, dass das Haus weiterhin öffentlich zugänglich bleibt.“
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