Starker alpenländischer Bilderbogen
Die extremen Anforderungen der Partie des Arnolds an jeden Tenor sind der Grund, warum Gioachino Rossinis letzte Oper " Wilhelm Tell" so selten gespielt wird. Die Grazer Oper stellt sich knapp 100 Jahre nach ihrer letzten Aufführung nun dieser Herausforderung und ist erfolgreich.
Denn Yosep Kang bewältigt trotz Bandscheibenvorfalls diese Rolle mit allen Spitzentönen mühelos, strahlend, mit Schönheit und reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.
Aber auch das übrige Ensemble kann sich bei der französisch gesungenen Eröffnungspremiere (mit etlichen Strichen) hören lassen. Olesya Golovneva ist seine geliebte Habsburger Prinzessin Mathilde mit einem runden, koloraturensicheren Sopran. Tatjana Miyus singt den Jemmy, den Sohn Tells, entzückend und glasklar. Seine Mutter Hedwig wird von Dshamilja Kaiser feinsinnig gesungen.
Tod in der Loge
Den sadistischen Landvogt Gessler, der meist großkotzig in der Proszeniumsloge thront und hier auch erschossen wird, singt Derrick Ballard kernig. Verlässlich: David McShane (Walter Fürst), Konstantin Sfiris ( Melchtal) und Manuel von Senden (Rudolph). Der Chor singt auch homogen (Bernhard Schneider). Und der Titelheld? James Rutherford hört man kraftvoll und weich, seine Stimme ist aber in der Mittellage zu wenig fokussiert.
Unter der animierenden Leitung Antonino Foglianis werden vom Grazer Philharmonischen Orchester die Stimmungsmalereien wie auch die grandiosen Steigerungen akzentuiert, transparent und ausgefeilt musiziert.
Immer wieder mit der Schweizer Alpenwelt als Hintergrund und einem sich öffnenden, wie eine Zitadelle wirkenden Halbrund (Bühne: Frank Philipp Schlößmann), das Sicht auf eine Arena freigibt, zeigt Stephen Lawless einen starken, alpenländischen Bilderbogen. Der Regisseur greift dabei nicht in die politische Aktualisierungskiste. Nahe an Schiller sieht man in trachtigen Kostümen oder grauen Uniformen (Ingeborg Berneth) viele Details und Symbole und packendes Musiktheater.
(Helmuth Chr. Mayer)
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