"Wildberry Lillet"-Star Nina Chuba: "Ich hatte keine Zeit, das zu verarbeiten"

Am Abend vor dem KURIER-Gespräch war es wieder so weit: Nina Chuba rief die Mama an, weil sie weinen musste. „Es gab dafür viele verschiedene Gründe“, erzählt die gefeierte Rapperin, Songwriterin und Schauspielerin. „Ich rufe Mama immer wieder an, wenn ich mich total verloren fühle. Ich weiß dann nicht, wie man das Leben perfekt lebt und ob es überhaupt je so sein wird. Mama baut mich dann immer auf. Sie kennt mich am längsten, deswegen ist es immer so schön, sie zu hören. Bei ihr fühle ich mich sicher, und sie ist immer für mich da.“
Das verarbeitet die 26-Jährige, die 2022 mit dem Hit „Wildberry Lillet“ und 2023 mit dem Debüt-Album „Glas“ Platz eins der deutschen und österreichischen Charts erobern konnte, in dem Song „Unsicher“. Der ist Teil ihres eben erschienenen zweiten Albums „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“.
Die 19 Songs, sagt sie, seien wie ein Tagebuch der vergangenen Jahre. „Es geht darum, wie es mir ging – mit meinen Unsicherheiten und mit meinem Selbstbewusstsein, um Erkenntnisse, die ich hatte, oder eben nicht, und wie meine Sicht der Welt ist. 2023 war emotional ein sehr hartes Jahr für mich, weil in meinem Privatleben Dinge passiert sind, die ganz schrecklich waren. Aber auch, weil der Erfolg von ,Glas‘ überfordernd war. Das Album ist so durchgestartet, und ich hatte keine Zeit, das alles zu verarbeiten.“
Privates soll privat bleiben
Welcher private Schicksalsschlag sie damals aus der Bahn geworfen hat, sagt sie nicht. Chuba hat früh gelernt, Beruf und Privates zu trennen – auch, weil sie ihre Karriere bereits als Siebenjährige als Schauspielerin in der Serie „Die Pfefferkörner“ startete und seither in der Öffentlichkeit stand. Nach drei Staffeln stieg sie bei den Pfefferkörnern aus, weil sie „nicht mehr konnte“.
Gegendruck
Ähnlich ging es ihr nach dem Debüt-Album wegen des Drucks, schnell das zweite Langwerk nachschieben zu müssen, weil man sonst in Vergessenheit gerät. Doch sie nahm sich aus dem Druck heraus und begann eine Therapie: „Es tut mir wahnsinnig gut, in den Momenten, wo ich nicht mehr weiter weiß, mit jemandem zu sprechen, der mir nicht total nahesteht. Ich finde, jeder sollte das machen.“
Allen, die damals dachten, Chuba wäre ein One-Hit-Wonder, gibt sie mit „Nina“ – dem ersten Song von „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ – rotzig-trotzig Kontra. Generell verströmen die neuen Songs im Sound mehrheitlich positive, kraftvolle Vibes.
„Ich habe voriges Jahr mit der EP ,Farbenblind‘ ein paar Songs rausgebracht, in denen ich die Krise verarbeitet habe“, sagt sie. „Ich wollte damit zeigen, dass ich auch diese melancholische Seite habe, der großen Raum und eine eigene Welt geben, ohne dass da noch so ein Knaller wie ,Wildberry Lillet‘ drauf sein muss, der das überschattet. Deshalb ist auf diesem Album alles in einem sehr poppigen Gewand. Und ich wollte nicht mehr so viel mit Bläsern machen, weil ich davon gelangweilt war und immer in ähnlichen Melodien festgesteckt bin. Deshalb bin ich mehr ins Gitarrenlastige gegangen, und habe mich und meine Stimme in ganz vielen Genres ausprobiert.“
Eines der kraftvollen Lieder ist „Mama Shoot“, in dem Chuba auffordert, „die Schatten kalt zu machen“. Aber da geht es nicht direkt um ihre Mama, sondern um weibliche Vorbilder wie Doja Cat, Rosalia, Autorinnen wie Caroline Wahl und Nina Hagen („Nach ihr bin ich benannt“), und um Chubas eigene Karriere.
Mutig
„Ich glaube, dass sie auch deshalb so gelaufen ist, weil ich mutig war. Ich bin aus meiner Komfortzone rausgegangen und habe Sachen gemacht, die andere komisch fanden. Wie ich die ersten Videos auf Tiktok gestellt habe, gab es spitze Kommentare, wie ,Ah, willst du jetzt berühmt werden!‘ In der Schule wurde ich auch wegen der Schauspielerei geärgert. Da haben längst nicht alle gesagt, toll, dass du das machst. Ich hatte mir von der Pefferkörner-Gage ein Klavier gekauft, und auch als ich mit der Musik angefangen habe, fanden die anderen das albern. Aber ich habe darüber hinweggesehen.“
Mit „Mama Shoot“ und dem Song „Rage Girl“ will Chuba jungen Mädchen Mut zusprechen, für ihre Träume zu kämpfen und sich nicht davon abbringen zu lassen. „Alles, was nicht der Norm entspricht, finden andere erst mal komisch. Aber es ist wichtig, dass man über sich selbst hinauswächst. Das schafft man nur, wenn man das macht, worauf man Lust hat.“
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