Herman van Veen: "Wenn ich nicht mehr singe, bin ich tot“

Herman van Veen: "Wenn ich nicht mehr singe, bin ich tot“
Van Veen – mit „Achtzig“ am 5. 4. im Konzerthaus – verwischt einmal mehr die Grenzen zwischen Musik, Poesie, Clownerie, Performance und Polit-Debatte.

Das Bild ist mir unvergessen: Die Pingpong-Bälle auf der Bühne wurden im Lauf des Abends immer mehr. Und damit Schritt hielt das Pingpong der Gedanken zwischen Unsinn und Tiefsinn. Sehr musikalisch, sehr poetisch, sehr berührend: Herman van Veen, eine Art Ein-Mann-Zirkus und Clown, der zum Lachen, aber auch zum Nachdenken anregen will.

Jetzt ist der Niederländer, bekannt für gefühlige Lieder und seine Comic-Ente Kwak, 80 geworden und mit seinem neuen Programm „Achtzig“ u. a. am 5. April im Wiener Konzerthaus.

Auf das Singen könnte er nicht verzichten: „Wenn ich nicht mehr singe, bin ich tot. Ich habe mit sieben Jahren entdeckt, dass Singen ein Teil meines Lebens ist. Damals habe ich mich in meine attraktive Gesangslehrerin verliebt. Da singt man noch schöner. Mit Singen kann man seine Lust, seinen Frust und sein Glück loswerden.“

Die Seele berührend

Hat er Antworten auf die stark eingetrübte weltpolitische Wetterlage? „Bequeme Botschaften, fertige Rezepte kann keiner von mir erwarten“, sagt er im KURIER-Gespräch. „Ich kann nur springen – leider nicht fliegen.“ Aber jeden berührend, der jemals mit ihm in Berührung gekommen ist.

Er singt Lieder von der Liebe, ohne kitschig zu sein, kann mit wenigen Worten große Emotionen transportieren und das Alltägliche in etwas Außergewöhnliches verwandeln, indem er tragikomische Geschichten erzählt, die einen in den Gemütszustand nachdenklicher Heiterkeit versetzen.

Rätselhaft, lustig, verrückt, abgründig, anarchisch, kindlich, geistreich. Herman van Veen ist alles, macht alles. Das Motto seiner unplugged Shows ist seit Langem unverändert: „Bei uns explodiert die Stille.“

Was auch immer van Veen anfängt, hat als Ingredienzien Ironie und Selbstironie, auch schwarzen Humor, Sarkasmus und Spott, aber vor allem aufmerksame Teilnahme, ohne allzu melancholisch und sehnsüchtig zu wirken. In „Solange es leicht ist“ (Knaur Verlag) hat er in Anekdoten augenzwinkernd über die Aspekte des Älterwerdens erzählt: die Gebrechen, die Verluste, die geistigen und seelischen Entwicklungen, aber auch darüber, was ihn jung hält und Kraft verleiht in dieser Lebensphase.

„Viel Zukunft habe ich nicht mehr“, sagt er. „Aber es ist doch Zeitverschwendung, darüber zu grübeln, was war und darüber nachzudenken, was man später machen will. Mach es jetzt, sei jetzt glücklich, rieche jetzt die Blumen. Wir haben nur heute.“

Im biografisch geprägten Buch „Jahreszeiten“ (Knaur) stehen aktuelle und vergangene Ereignisse, die ihn und die Welt geprägt haben. Auch auf der Bühne will der Kunst-Universalist „erzählen, wie sich das Leben und die Zeit verändern“.

„Mein Kopf ist zwar nicht groß genug, um alles zu verstehen. Aber ich kann darüber staunen und singen. Das tun wir bei den Konzerten – in einer Welt, die rast.“

Van Veen, der den Menschen nicht nur sein Singen, Tanzen und Spielen schenkt, sondern vor allem auch eine Haltung zur Welt, hat das Gefühl, „dass jüngere Leute heute zu wenig Geschichtsunterricht hatten, dass da etwas versäumt wurde, dass es da eine Lücke im Bewusstsein gibt.“

„Denn wenn man nicht weiß, was sich in den 1930er-Jahren abgespielt hat, wie soll man dann verstehen, was sich heute abspielt?“ Nachsatz: „Was wir in den USA erleben, ist das Resultat, wenn man seine Geschichte nicht kennt.“

Den Glauben an die Vernunft kann ihm nichts nehmen. Und Angst hat er auch nicht. „Denn ich habe auch erlebt, dass es schnell wieder zu Veränderungen in die andere Richtung kommen kann. Aber das kostet etwas. Das kostet vor allem viel Mut. Leute auf allen Ebenen der Gesellschaft müssen sich engagieren und artikulieren – auf der Basis von Wissen.“

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