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Wie Sängerin Anna Depenbusch einen Wohnungsbrand bewältigte

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Die Chansonnière tritt mit dem Programm "Zwischen Liebe & Kummer" im Wiener Theater Akzent auf.

Anfang Februar 2025, Hamburg: In dem Haus, in dem Anna Depenbusch seit 20 Jahren wohnt, bricht mitten in der Nacht ein Brand aus. Die Liedermacherin wird aus dem Schlaf gerissen. 

„Die Treppe im Stiegenhaus und mein Schlafzimmerfenster haben da schon gebrannt“, erinnert sie sich im Interview mit dem KURIER. „Der einzige Ausweg war nach vorne. Dort hat mich ein Feuerwehrmann mit einem Rettungskorb rausgeholt. Ich konnte noch eine Bauchtasche mit meinem Handy und dem Portemonnaie schnappen. Mehr ging nicht. Zwei Minuten später und ich hätte es nicht geschafft, mir wäre die Luft ausgegangen.“ 

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Die 47-Jährige verlor bei dem Brand alles: Dokumente, Fotos, Kleidung – „mein ganzes digitales Leben“. Vor allem aber das Tonstudio mit Equipment und Instrumenten, das sie sich eingerichtet hatte. Erst im Dezember war es fertig geworden. Auch Teile des neuen Albums, an dem sie gerade mit dem Streicher-Ensemble „Kaiser Quartett“ gearbeitet hatte, waren weg.

„Manche Songs hatten wir schon aufgenommen, die waren in der Cloud gesichert“, sagt die Musikerin, die ihre Mischung aus Chanson, Pop und Jazz mit poetischen Texten und verspielter Sprache paart. „Von anderen gab es nur Ideen und Skizzen, die waren weg. Aber der Einschnitt war so groß, dass ich mit diesem Album nicht weitermachen wollte. Ich kann mir vorstellen, es ganz in die Schublade zu packen und anders weiterzumachen. Vielleicht verarbeite ich das Erlebte nicht direkt, aber die nächsten Songs, die ich schreibe, werden sicher in gewissen Bildern etwas mit dem Brand zu tun haben. “ 

Touren nach dem Trauma

Die Tour im Frühjahr, die mit dem Kaiser Quartett zum nie erschienenen Album angesetzt war, spielte Depenbusch aber wie geplant. Das „Zwischen Liebe & Kummer“ betitelte Programm mit Streicher-Arrangements von Fan-Favoriten wie „Tim liebt Tina“ oder „Ich & Du“ bringt sie am 16. 10. ins Theater Akzent in Wien. 

„Wir dachten, die Arrangements mit den Streichern sind so eigen und hörenswert, dass wir die Tour spielen müssen“, erklärt sie. „Es gibt in dem Konzert auch zwei Songs, die ich alleine spiele und eine Stelle, an der das Kaiser Quartett seine eigene Arbeit vorstellt.“ 

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Auch jetzt gilt für Depenbusch noch: Auf Tour zu gehen ist die beste Therapie gegen das Trauma des Brandes. „Ich bin immer noch am Verarbeiten und dabei, mich neu zu sortieren. Denn das Haus ist so beschädigt, dass es zwei Jahre nicht bewohnbar ist. Durch die Tour im Mai habe ich mich komplett davon abgelenkt. Das war Gold wert. Auf die Bühne zu gehen und zu singen, war das Beste, was mir passieren konnte. Da kam auch dieses Gefühl von leichtem Gepäck: Ich verkörpere Minimalismus! Denn was brauche ich wirklich? Meine Stimme! Und es ist ein Segen, dass mir nichts passiert ist.“ 

Der Flügel ist noch da

Die Dankbarkeit darüber, dass sie keine Verbrennungen hatte, sagt Depenbusch, kam noch direkt in der Nacht, die ihr Leben in „ein Davor und ein Danach“ teilte. Denn die Nachbarin unter ihr hat es nicht geschafft. Dankbar ist Depenbusch auch dafür, dass der Flügel, auf dem sie alle Lieder schreibt, nicht beschädigt wurde. „Frau Rachals“ nennt sie ihn, weil er von der Manufaktur Rachals erbaut wurde. 

„Der stand beim Brand zum Glück nicht bei mir, der hätte nicht in die Wohnung gepasst“, sagt sie. „Ich fand ihn in einem Möbellager und er sah so mitgenommen aus. Ich wusste, dass er 100 Jahre alt sein muss, und wollte ihn haben, weil ich dachte, da stecken Geschichten drinnen. Ich mag diese Vorstellung, dass das Holz Resonanzen und Stimmungen speichert. Der Klavierbauer, der ihn restauriert hat, hat zwar gesagt, das wird nichts, der wird immer schwer zu spielen sein. Aber irgendwann hatte er ihn so weit, dass man ihn solide stimmen konnte. Und jetzt sitzen Frau Rachals und ich zusammen und schreiben Lieder. Meine Vorstellung ist, dass die alle schon im Kosmos herumzirkeln und sich jemanden aussuchen, zu dem sie wollen. Ich mag das Gefühl, mich dafür zur Verfügung zu stellen. Weil das auch den Druck nimmt, wenn man denkt, man muss jetzt das geniale Album schreiben. Nein, der Flügel und der Kosmos schreiben mit mir. Ich bin da und schaue, was daher kommt.“

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