Wegbereiterinnen auf wackligen Leitern

Es ist gar nicht so einfach, Isolde Joham zuzusehen, wie sie die Atelierleiter Stufe für Stufe hochsteigt. Es fällt der 90-Jährigen nämlich sichtlich nicht leicht, man möchte gern ins Video steigen und sie festhalten. Aber Christiana Perschon, die hier hinter der Kamera steht, macht das nicht. Sie zeigt Joham, eine Künstlerin, die noch kurz vor ihrem Tod späte Anerkennung erfuhr, als immer noch selbstbewusste Frau. Die vor ihren großformatigen Bildern etwa eines Astronauten besonders fragil wirkt, und dann auch wieder so stark, wenn sie stolz heruntersalutiert.
Bis ins Barock
Das Video „Bildwerden“ ist ein besonders berührendes Exponat der neuen Ausstellung „Auf den Schultern von Riesinnen“ im Künstlerhaus. Die von Nina Schedlmayer kuratierte Schau vereint Künstlerinnen, die sich mit Künstlerinnen, die vor ihnen tätig waren, beschäftigen.
Constanze Ruhm zum Beispiel nimmt die Barockmalerin Artemisia Gentileschi, eine Ikone der feministischen Kunstgeschichte, und lässt deren Bildinszenierungen nachspielen. Katharina Aigner erinnert an einen Zirkel von lesbischen und queeren Schriftstellerinnen im Paris der 1920er-Jahre. Diese Frauen trafen sich in einem Tempel, der heute unzugänglich ist – Aigner macht ihn als bewegtes Rendering wieder virtuell begehbar.
Platz in der Kunstgeschichte
Queere Thematik findet sich auch in der Arbeit von Viktoria Tremmel. Sie sammelt in einer Art Schachtelpanorama Tagebuchauszüge von Anne Lister und davon inspirierte Bilder über deren lesbisch-erotische Begegnungen. Lister lebte im 18. Jahrhundert, ihre expliziten Schilderungen waren lange versteckt gehalten worden.
Manchmal geht es auch darum, Frauen in der Kunstgeschichte ihren berechtigten Platz zu „erkämpfen“. Das macht Isa Rosenberger: Sie erzählt von Manda von Kreibig, der Tänzerin, die mit Oskar Schlemmer den Stäbetanz im Bauhaus begründete – aber in der Geschichtsschreibung verloren gegangen ist. Anna Meyer versucht in der Serie „Futurefeminismus“, die wie ein Mobile aus bemalten Plexiglasscheiben gehängt ist, gleich die Kunstgeschichte umzuschreiben. Es ist ein bunter Reigen an Anspielungen von der Poetin Amanda Gorman bis zu MeToo im 16. Jahrhundert.

Bettina Beranek verfremdet Selbsporträts von prominenten Künstlerinnnen, hier Maria Lassnig.
Nachfolgende Generationen
Mit der Autobiografie von Teresa Feodorowna Ries haben Judith Augustinovic und Valerie Habsburg gearbeitet. Jeder Satz wurde abgeschrieben – übereinander. Die nun völlig unlesbare Zeile kann wie eine Naht oder auch wie eine Narbe gesehen werden.
Huda Takriti würdigt ihre eigene Großmutter. Sie war Kunstlehrerin und Textilkünstlerin in Kuwait. Es ist ein zweigeteiltes Video, das einerseits Fotos oder Negative zeigt, und andererseits Stickereien, die unvollendet sind. Die Großmutter wollte, dass nachfolgende Generationen sie fertigstellen.
Wie viel die nachfolgenden Generationen den kämpferischen Künstlerinnen vor ihnen verdanken, zeigt ein weiteres Video von Christiana Perschon, in dem Florentina Pakosta reichlich trocken erzählt, wie sie sich in den 1960ern gegen die, Zitat, „männliche Übermacht“ gewehrt hat. Sehenswert!
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