Wandern für die Kunst

Eine lange Schlange von Wanderern geht einen Pfad entlang.
Das Projekt will ungewöhnliche Impulse in der Natur setzen.

Die Passanten, die an der Dorfstraße in Bad Kleinkirchheim vorbeikommen, sind verwundert über das seltsame Schauspiel. Säuberlich aufgereiht ziehen da zwei sonderbare Prozessionen im Gänsemarsch über den Hügel oberhalb der Hauptstraße, bewegen sich aufeinander zu, treffen zusammen, und gleiten schließlich aneinander vorbei. Das Irritierendste daran: die unnatürliche Langsamkeit, mit der das geschieht. Für 300 Meter brauchen die Marschierenden eine ganze Stunde.

Vorgegeben wird das Schneckentempo vom Mann an der Spitze. Konzentriert, mit regelmäßigen Blicken auf die Uhr, setzt er einen Fuß vor den anderen. Was Hamish Fulton da macht – die Passanten haben es längst erraten – ist Kunst.

Gehen

Man könnte ihn irgendwo zwischen Performancekunst und Land Art einordnen. Er selbst lehnt diese Kategorien eher ab und bezeichnet sich als Walking Artist. Seit 1967 geht Fulton für die Kunst – allein, in der Gruppe, schnell, langsam. Manchmal übersetzt er die Erfahrungen des Gehens in materielle Kunstwerke. Oft bekommen die Betrachter die Gelegenheit, als Mitwirkende die selbstverständlichste aller Fortbewegungsarten neu zu erfahren.

Das langsame Gehen interessiert Fulton, weil es so ungewohnt ist. Es sei etwas, was zwar jeder kann, aber kaum einer tut, so der Künstler. Gehen, das ist bei Fulton fast eher eine Form der Wahrnehmung als eine Form der Fortbewegung. Wenn Fulton den Pilgerwegen tibetischer Mönche folgt oder in Alaska den Folgen des Klimawandels nachspürt, dann kommen auch politische und ökologische Komponenten ins Spiel.

Am vergangenen Wochenende hat ihn sein Weg nach Bad Kleinkirchheim geführt. Fultons „Slowalk“ war Höhepunkt des Eröffnungswochenendes für das brandneue Kunstprojekt nock/art, für das der Bad Kleinkirchheimer Tourismusverband den ehemaligen mumok-Direktor Edelbert Köb als Kurator an Bord holte.

Eingeleitet wurde das Projekt durch ein Symposium, bei dem Fulton und andere – darunter Künstler Michael Höpfner, KURIER-Journalist Axel N. Halbhuber und „Skyrunner“ Christian Stangl – das Thema erörterten. Das Symposium und das minimalinvasive Projekt Fultons waren vorsichtige erste Schritte in Richtung Verwirklichung des nock/art-Anliegens, das Wandern um Kunst und Kultur zu bereichern. Dass ein Projekt für zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt Land Art in den Kärntner Bergen ein heikles Unternehmen ist, und nicht bei allen Einheimischen auf Wohlwollen stößt, wurde deutlich.

Doch auch wenn man in punkto Finanzierung noch nicht zu weit in die Zukunft planen kann, zeigt sich Köb zuversichtlich. Zumindest zwei von den für die nächsten Jahre geplanten Projekten werden auf jeden Fall realisiert. Fest steht, dass nock/art sich zu einem interessanten Projekt auswachsen könnte. Und dass es vom Touristenort durchaus mutig ist, Künstler einzuladen, die ganz andere Bilder von den Nockbergen schaffen könnten als jene, die der Tourismusverband auf Broschüren druckt.

Auch Fulton wählte für seinen Walk bewusst eine recht reizlose Schotterstraße mitten im Ort, statt die pittoresken Wanderwege in den Bergen aufzusuchen. Weder Touristen noch Einheimische würden auf die Idee kommen, hier zu wandern. Fultons Walk gab einstündige Gelegenheit, darüber nachzudenken, warum.

Weitere Pläne


Hotel Konkurrenz
Das Künstlerkollektiv AO& stellt die Einrichtung des Hotels St. Oswald auf den Kopf, demontiert Teile davon – und führt den Hotelbetrieb mit neugierigen Gästen dann experimentell weiter (Mai/Juni 2014).

Symphonische Verdichtung
Verfallene Heustadel werden 2014 vom Künstler Michael Strasser abgetragen, verarbeitet, eingefärbt und versteinert, um dann in der Natur wieder aufgebaut zu werden.

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