Villazón in München: Triumph mit Offenbach

Villazón in München: Triumph mit Offenbach
Zu Gast bei Cinderella und den Munsters: Rolando Villazón begeistert in "Hoffmanns Erzählungen" an der Bayerischen Staatsoper.

München ist zurzeit die attraktivere Theaterstadt als Wien. Die jüngsten Neuproduktionen legen diese Annahme zumindest nahe.
Am Tag nach der Premiere von "Kasimir und Karoline" am von Martin Kušej geleiteten Residenztheater kam gleich nebenan, an der von einem anderen österreichischen Intendanten, Nikolaus Bachler, geführten Bayerischen Staatsoper Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" neu heraus. Mit einem beachtenswerten jungen Dirigenten (Constantinos Carydis), mit zwei Weltstars auf der Bühne ( Rolando Villazón und Diana Damrau). Und in einer entzückenden Inszenierung von Richard Jones, die genau das Gegenteil dessen ist, was Frank Castorf tags zuvor gezeigt hatte: keinerlei Zertrümmerung, sondern eine detailgetreue Umsetzung des Librettos, fantasievoll und zauberhaft.

Synthese

Politische Provokation und Neudeutung versus klassische theatralische Verführung? Wenn es so gut umgesetzt ist, wie in diesen beiden Fällen in München, nur wenige Schritte voneinander entfernt, hat beides seine Berechtigung und ergibt ein kreatives Miteinander, eine Synthese.

Richard Jones macht also vor, wie konservatives Musiktheater heute noch (oder wieder?) funktionieren kann. Zeigt, was etwa Jean-Louis Martinoty zuletzt in Wien zu zeigen nicht gelungen war. Die Bühne von Giles Cadles besteht nur aus einem Zimmer und seitlich einem Korridor. Dieses Zimmer wird aber in jedem Akt zur Wunderbox. Zu Meister Luthers Weinkeller. Zum liebevoll dekorierten Puppenhaus der Olympia. Zum Heim der Antonia, in dem eine goldene Schallplatte an der Wand hängt und die Stimme der an der Kunst verstorbenen Mutter aus dem Grammofon tönt. Zum Spiegel-Salon der Giulietta, der gleichzeitig Grusel-Kabinett ist.

Neben der fabelhaften Personenführung sind vor allem die Präzision des Regisseurs und der Ideenreichtum bemerkenswert. Olympia erscheint im Kleid von Walt Disneys "Cinderella" und wird von Richard Jones humorvoll choreografiert. Ein weiteres Filmzitat bringt die "Familie Munster" in Erinnerung: Miracle tritt als Herman Munster auf und mit ihm eine bedrohliche Schar Gleichgeschminkter. Am Ende formieren sich nochmals alle Gestalten und erscheinen dem Trunkenbold Hoffmann - um zu dessen Romanfiguren zu werden. Theater zum Staunen und Mitdenken - manchen im Publikum war's eine Spur zu gemütlich, zu altmodisch.

Jubel

Einhellige Zustimmung bekam hingegen Rolando Villazón für seine Gestaltung des Hoffmann: Mit vollem stimmlichem Risiko, lange gehaltenen Spitzentönen, prachtvollen Kantilenen und seiner einzigartigen Darstellungskunst, zwischen der Traurigkeit eines Clowns und der Begeisterungsfähigkeit eines Kindes changierend, sorgte er zurecht für Begeisterungsstürme. Endlich einmal gibt es wieder nur ein erfreutes Ja zu seiner Leistung und kein Ja, aber ... Und das bei dieser kraftraubenden Partie.

Diana Damrau, die gefeierte Olympia, sang erstmals auch alle anderen Geliebten Hoffmanns, also Antonia und Giulietta, die ja nur verschiedene Facetten von Stella sind. Der Puppe Olympia verleiht sie spielerisch mit tollen Koloraturen und glasklarer Höhe Leben; die Antonia wird von ihr ebenfalls überzeugend, sogar berührend gesungen; für die Giulietta fehlt ihr jedoch die erotische Tiefe. Immerhin gibt es aber wieder eine Sängerin, die diese Rollen hochklassig vereint - wie von Offenbach intendiert.

Angela Brower ist fabelhaft als Nicklausse/Muse. John Relyea gestaltet alle Bösewichte: Manchmal etwas zu stark forcierend, stets intensiv - bei der Spiegelarie punktet er auch mit der nötigen Höhe. Kevin Conners amüsiert und beeindruckt in den Dienerrollen.
Das Dirigat von Constantinos Carydis ist sensibel und differenziert, die Barcarole verschleppte er mit dem sehr guten, farbenprächtigen Orchester jedoch völlig.
Neuer Ring Diese Spielzeit noch auf dem Premierenprogramm in München: "Turandot" mit Zubin Mehta am Pult (3. 12.) und von La Fura dels Baus szenisch umgesetzt sowie ein neuer "Ring" mit Kent Nagano und Regisseur Andreas Kriegenburg (ab Februar). Eine starke Ansage von Bachler.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Großes Zaubertheater von Richard Jones

Das Werk
"Hoffmanns Erzählungen" wurde 1881 in Paris uraufgeführt - erst nach Offenbachs Tod (1880) entstanden diverse Fassungen. Die Münchener Aufführung basiert auf der Ausgabe von Kaye/Keck.

Die Produktion
Die Regie von Richard Jones ist ganz klassisch und entzückend, Constantinos Carydis dirigiert sensibel, Rolando Villazón begeistert als Hoffmann, Diana Damrau singt erstmals all seine Geliebten.

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