"Une histoire de fou": Schachspiel mit tödlicher Schusswunde im Kopf

Drama über den armenischen Völkermord.

Ist Terror ein legitimes Mittel, um ein historisches Unrecht zu rächen? Diese Frage stellt der Robert Guédiguian in seinem neuesten Film, der mit einem in Schwarz-Weiß-Bildern erzählten Prolog beginnt: Berlin im Jahr 1921. Ein Schachspiel zwischen zwei Männern. Ein Zitat des israelischen Schriftstellers David Grossman Israel wird eingeblendet, wonach die wichtigsten Entscheidungen der Geschichte nicht auf Schlachtfeldern oder in Palästen getroffen werden, sondern in Küchen und Kinderzimmern. Sekunden später liegt einer der beiden Männer auf dem Boden, mit einer Schusswunde im Kopf. Der Ermordete ist der türkische Kriegsverbrecher Talaat Pascha, hauptverantwortlich für das Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren.

Völkermord

Armenien spricht in Bezug auf die Gräueltaten von einem Völkermord, während die Türkei diesen Begriff bis heute vehement ablehnt. Im Prolog zeigt Guédiguian auch den Prozess gegen den damaligen Attentäter Soghomon Thelirian, dessen Familie dem Genozid zum Opfer gefallen war und der deshalb mit dem Mitgefühl seiner Richter rechnen konnte: er wurde freigesprochen. An dieser Stelle unterbricht Regisseur Robert Guédiguian – selbst armenischer Herkunft – seinen Film und beginnt mit einer neuen Handlung, die in Farbe erzählt wird: Paris, 1981. Aram, ein junger Armenier aus Marseille, jagt den Wagen des türkischen Botschafters in die Luft. Auf der Flucht vor den Folgen seines Attentats tritt Aram der armenischen Befreiungsarmee in Beirut bei. In jenen Jahren war Beirut die Brut- und Trainingsstätte für selbsternannte Revolutionäre – für Armenier, Palästinenser, Basken und die irische IRA. Guediguians stellt eine Reihe von brennenden Fragen in den Raum: Welchen Einfluss hat die Diaspora auf Menschen? Können Trauer und Wut über ein historisches Unrecht Terrorakte rechtfertigen? Trotz inhaltlicher Brüche und Längen, hinterlässt der Film einen starken Eindruck.

Text: Gabriele Flossmann.

INFO: Une Histoire De Fou. F 2015. 134 Min. Von Robert Guédiduian. Mit Simon Abkarian, Ariane Ascaride.

KURIER-Wertung:

Une histoire de fou

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