... und wieder 18 Bücher, kurz vorgestellt

... und wieder 18 Bücher, kurz vorgestellt
Diesmal: Neun Kriminalromane /Thriller, außerdem unsere liebsten Fremdsprachen (Englisch ... und Deutsch), Vögel, Krapfen und so weiter.

Der Commissario interviewt hart

Die Interviewführung von Commissario Montalbano wäre im TV nicht immer, aber manchmal sehr wünschenswert: Er unterbricht  Auskunftspersonen bei jedem zweiten Satz, dafür kommen Antworten dann äußerst präzise. Blick in eine Schlangengrube: Ein  angesehener Sizilianer wurde erschossen. Man glaubt ja gar nicht, wie niederträchtig er war.

Andrea Camilleri:
„Das Nest der Schlangen“
Übersetzt von Rita Seuss und Walter Kögler. Lübbe Verlag.
272 Seiten. 22,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Die Plädoyers waren vergriffen

Geschichten über den Widerstand gegen Hitler. Renate Welsh hat vor 50 Jahren davon erzählt, da war sie noch nicht die gefeierte Jugendbuchautorin. Z.B. von der Haushaltshilfe, die ihren jüdischen Arbeitgeber auch nach dem „Anschluss“  mit Essen versorgte (und hingerichtet wurde) ... Plädoyers für Menschlichkeit. Die Neuausgabe kommt wie gerufen.

Renate Welsh:
„In die Waagschale geworfen“
Vorwort von Heinz Fischer.
Czernin Verlag.
120 Seiten. 18 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Virtuoses Raunzen und Sudern

Kürzlich matschkerte jemand: Es gibt in Österreich mehr Kabarettisten als Kühe, aber die meisten sind nicht lustiger ... Auch der Humor des Niederösterreichers Harald Jöllinger ist  Geschmacksache, selbstverständlich. Aber er sudert und raunzt virtuos in 26 Monologen.  Einmal ist eine Gelse ang’fressen – sie will sich nicht anstecken  bei den Menschen.

Harald Jöllinger:
„Marillen & Sauerkraut“
Verlag Kremayr & Scheriau.
208 Seiten.
9,90 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

"shoesenkel" neu eingetroffen

Verwirrungen  mit  unserer liebsten Fremdsprache: „Kaffee to Go ohne Becher – Stück 1,30 Euro“ steht bei einem Bäcker. Ein Fotoatelier wirbt für „Baby Shooting“, eine Massenerschießung folglich, und der rasende Absatz von „shoesenkel“ wird wahrscheinlich nur  von „shoekrem“ übertroffen. Alles istfotografisch festgehalten. That macht happy.

Peter Littger:
„Lost in Trainstation – wir versteh’n nur Bahnhof“
Verlag Kiepenheuer & Witsch.
256 Seiten. 12,40 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Über Nigilan wird nichts verraten

Sachbuch mit vielen Bildern über die älteste Gemeinde Südtirols, Innichen. 1250 Jahre, aber vor allem wird die Gegenwart gefeiert. Und vieles wird erklärt – aber dann steht da: „Nigilan“.  Spitzenköchin Anna Matscher macht sie mit Honig. Doch wird nicht  verraten, dass es sich um Krapfen handelt. Buhrufe! Die „Nudilan“ versteht man auch so.

Hansjörg Plattner und
Germana Nitz:
Innichen
Folio Verlag.
166 Seiten. 25 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Tausche Steppe gegen Kanal

Der Polizeichef heißt Yeruldelgger. Er ist Mongole. Erbe eines großen Landes mit freien Menschen ...  die aus der Steppe in die Stadt Ulaanbaatar drängen und nicht Fuß fassen können und im Kanal leben. Der preisgekrönte Roman hat mehr zu bieten als Tote. Persönlicher Lieblingssatz: „Mongolen erzählen nichts von ihren Träumen.  Pech für den armen Sigmund Freud.“

Ian Manook:  „Der Mongole –
Das Grab in der Steppe“
Übersetzt von Wolfgang Seidel.
Blanvalet Verlag.
640 Seiten. 15,50 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Wer viel fragt, gerät in Gefahr

Die britische Autorin war Kriminalpolizistin: Sie kündigte, um sich mehr um ihre Kinder zu kümmern  – und schreibt einen Bestseller nach dem anderen. Brav schreibt sie, aber ihre Drehungen/Wendungen haben’s  in sich. Eine junge Mutter will wissen, wieso sich ihre Eltern umbrachten. Das ist gefährlich – schon deshalb, weil „Deine letzte Lüge“ ein Psychothriller ist.

Clare Mackintosh:
„Deine letzte Lüge“
Übersetzt von Sabine Schilasky.
Verlag Bastei Lübbe.
464 Seiten. 11,40 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Der Wanderer erschießt alle

Ein Wanderer kommt an derdeutsch- tschechischen Grenze in ein Dorfwirtshaus, trinkt Bier, noch ein Bier, und danach erschießt alle elf Anwesenden. Kann schon sein, dass diese Geschichte vom Serienkiller, der sich damit abgefunden hat, weder Fußball- noch Filmstar geworden zu sein, auf einem Reißbrett konstruiert wurde. Es ist allerdings eine verwirrend gute Konstruktion.

Linus Geschke:
„Tannenstein“
Verlag dtv.
384 Seiten.
16,40 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Endlich wieder Spionage

Einer der Favoriten unter diesen Kurztipps. Geschrieben von Dov Alfon , Ex-Chefredakteur der angesehenen israelischen Zeitung Haaretz, der  als  neuer Meister des Spionageromans seine Aufwartung macht. Ein israelischer Passagier wird nach Landung in Paris entführt (und ermordet). Dov Alfon ist zuzutrauen, dass die darauf folgenden Machtkämpfe bei Nachrichtendiensten in Tel Aviv nicht ganz frei erfunden sind.

Dov Alfon:
„Unit 8200“
Übersetzt von Gottfried Röckelein.
Rowohlt Taschenbuch.
480 Seiten. 16,50 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Agatha Christie schaut zu

Ruth Ware ist, was das Schreiben betrifft, mit Agatha Christie verwandt. Sie braucht nicht viel Blut, aber ein Rätsel. In „Woman in Cabin 10“ genügte ihr ein Plumpser von einem Schiff (und seltsamerweise ging kein Passagier ab) ... Vier alte Schulfreundinnen ließen zwei Jahrzehnte Gras über etwas Mörderisches wachsen, aber jetzt, alle sind um die 35, müssen sie sich ihrem großen Geheimnis stellen.

Ruth Ware:
„Wie tief ist deine Schuld“
Übersetzt von Stefaniue Ochel.
Verlag dtv.
448 Seiten. 16,40 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Frauenpower, zum vierten Mal

Der nächste Serienmörder, und sogar einer, der auf den Frauenleichen seine Unterschrift hinterlässt. Auch die deutsche Autorin Judith Winter versteht ihr Handwerk – wie Linus Geschke, siehe links. „Finsterwald“ ist schon  Fall vier  für  geballte Frauenpower (= das Frankfurter Ermittlerduo Emilia Capelli und Mai Zhou). Am Ende gibt es blauen Himmel, zu sehen aus dem Krankenhausfenster, und eine Schokoschnecke.

Judith Winter:
„Finsterwald“
Verlag dtv.
496 Seiten.
10,30 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Mit Schwung verschwunden

Ein fast perfektes Familienleben. 13 schöne Ehejahre, zwei kleine Mädchen ... und dann kommt Alexandra eines Abends nicht mehr heim. Das passt wirklich nicht zu ihr. Sie wird gefangen gehalten. Ihr Ehemann sucht sie. Klingt nicht besonders neu. Bringt aber Schwung ins Genre. Das Debüt der Theaterwissenschaftlerin Natasha Bell thematisiert Mutterrolle, Ehrgeiz, Aufopferung.

Natasha Bell: „Alexandra“
Übersetzt von Pauline Kurbasik.
Diana Verlag.
416 Seiten. 17,50 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Viel Erfolg mit dem Darm

Alles beginnt im Darm – sogar der Erfolg. Hat man am Bestseller „Darm mit Charme“ gemerkt.  „Happy Food“ hat’s auch drauf. Motto: Du fühlst dich so, wie du isst. Wir brauchen mehr Faserstoffe – Walnüsse, Brombeeren, Nacktgerste. Und in der Früh einen Schluck Zitronen-Ingwer-Apfelsaft. Viel Lektüre von zwei Schweden: Sternekoch und Wissenschaftsjournalist.

Niklas Ekstedt und Henrik Ennart:
„Happy Food“
Südwest Verlag.
240 Seiten.
22,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Die besseren Menschen

Selbstverständlich steht der Mensch über dem Vogel (naja, beide haben sich aus den Echsen entwickelt, auseinanderentwickelt). Aber auch die Krone der Schöpfung – also wir müssen zugeben: Vögel sind bewundernswürdig.  Einer ihrer großen „Fans“ erzählt, wie sie ticken und was man von ihnen lernen kann.  Manchmal sind sie die besseren Menschen.

Ernst Paul Dörfler:
„Nestwärme“
Hanser Verlag.
288 Seiten.
20,60 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Das ist keine Vogelscheuche

Was wie eine Vogelscheuche im Gemüsebeet der Wiener PR-Lady Walli Winzer aussieht, ist ein Toter. Der Karpfenteichbesitzer. Ein unguter Typ ... Maria Publig schreibt gern übers Waldviertel. Über Waldviertelmorde. Und richtet ein großes Durcheinander an. Persöblicher Lieblingssatz: „Ich hoffe, es gab für dich zwischendurch auch schöne Momente?“

Maria Publig:
„Killerkarpfen“
Gmeiner Verlag.
441 Seiten.
14,40 Euro.
KURIER-Wertung:  ***

 

Hier schnürt der Fuchs

Wenn etwas in Ordnung ist: Ist es dann o.k. oder ok oder OK? Nach 2011 ist das zweite Deutsch-Quizbuch des Journalisten erschienen, der seit 15 Jahren lächelnder Begleiter im Irrgarten der Sprache ist. Wer glaubt, eh gut in Deutsch zu sein, wird sich wundern. Schnurrt der Fuchs. Spürt er? Schnürt er? Spurt er? (Ein Fuchs schnürt, d.h.,  er geht.)

Bastian Sick:
„Wie gut ist Ihr Deutsch?“
Verlag Kiepenheuer & Witsch.
256 Seiten.
10,30 Euro.
KURIER-Wertung: ****

 

Keine Spur von John Wayne

Geht leider in österreichischen Buchhandlungen unter. Ein amerikanischer Western ist das, geschrieben von Sebastian Barry aus Dublin. Ein Roman wie ein schöner Tag zum Hängen (wie man so sagt). Es erzählt ein junger Ire, der aus Hunger nach Amerika ging und dort gegen Sioux und im Bürgerkrieg kämpft. Horror – und Liebe zu einem anderen Soldaten.

Sebastian Barry:
„Tage ohne Ende“
Übersetzt von Hans-Christian Oeser.
Steidl Verlag.
256 Seiten. 22,70 Eur.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Die Mehrzahl von Pech

Für so viel Pech sollte es ein Mehrzahlwort geben: Als „Zigeuner“ war Karl Horvath  aus Loipersdorf nach Dachau verschleppt worden,  er überlebte – und wurde als KZ-Folterer in Linz zu 15 Jahren verurteilt, später  aber freigesprochen. Entschädigung? Das zog sich, und er starb. Journalist Wolfgang Freitag muss sich viel Mühe geben, seine Emotionen im Zaum zu halten.

Wolfgang Freitag:
„Der Fall Karl Horvath
Mandelbaum Verlag.
120 Seiten.
15 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

 

 

 

 

 

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