Realitäten und Traumwelten in Blautönen
Der Raum ist in magisches Blau gehüllt. Ein Mann sitzt am Klavier. Es ist Puccini, der mit dem Finale seiner Oper ringt. Er ist rastlos, öffnet eine asiatische Spieluhr, die das Hauptmotiv aus „Turandot“ spielt. Schnell öffnet er die Partitur, mutiert zu Calaf, und das Spiel beginnt.
Erst jetzt setzen am Grazer Opernhaus die ersten wuchtigen Töne von Puccinis letzter, unvollendeter Oper ein, die sein Schüler Franco Alfano beendet hat.
Ästhetisch durchgestylt
Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli hat den Einheitsraum nur zu einem kleinen Teil mit asiatisch stilisierten Ornamenten ausgestattet. Die Grenzen von Realität und Traumwelt verschwimmen.
Das Volk ist ein Opernpublikum in festlichen Abendroben und Anzügen der 30-Jahre (Kostüme: Dagmar Niefind-Marelli). Es beobachtet sensationslüstern auf Theaterstühlen die Show.
Zur Unterhaltung tragen eckig tanzende Harlekins aber auch Salti schlagende Akrobaten und als Highlight die Hinrichtungen der erfolglosen Verehrer der „eisumgürteten“ Prinzessin bei.
Die Minister Ping, Pang und Pong in grellbunten Kostümen und Masken wirken im 2. Akt wie Pathologen im Seziersaal, wo alle abgeschlagenen Köpfe der Verehrer in Formalinbehältern in Vitrinen ausgestellt sind. Die Inszenierung, die nach Stockholm und Graz nach Oslo gehen wird, endet als Massenhochzeit des Chores und von Turandot und Calaf. Die setzen sich wie ein altes Ehepaar vertraut auf ein winziges Tischchen. Zweifellos hat Marelli viele Ideen, die Geschichte der grausamen Prinzessin und ihrer diffizilen Rätsel zu erzählen.
Diese sind jedoch nicht unbedingt neu und erzielen trotz ihrer Symbolik, nicht jene starke visuelle und ästhetische Wirkung, die man sonst von ihm gewohnt ist.
Mlada Khudoley schafft die schwere dramatische Partie der Turandot mit wagnerischen Anforderungen an Umfang und Tonsprüngen sowie blitzenden Spitzentönen mühelos. Mit Innigkeit berührt Gal James als Liù, nur wurde sie schrecklich unförmig angezogen. Konstantin Sfiris ist ein zu roher und orgelnder Timur.
Exzellent sind Ivan Orescanin (Ping), Taylan Reinhard ( Pang) und Martin Fournier (Pong), die zudem recht komisch inszeniert sind.
James Lee als Calaf verfügt über einen nicht allzu großen aber ausgesprochen schönen, schmelzigen Tenor mit freier Höhe und punktet mit der Paradearie „Nessun dorma“. Das Schmachten sollte er sich jedoch abgewöhnen. Domingo Hindoyan setzt Puccinis Partitur teils mit (zu) breiten Tempi aber immer delikat und feinschillernd mit idealen exotisch-koloristischen Klangwirkungen und meist sängerfreundlich um. Wie wohl der Phonpegel einerseits manchmal recht gewaltig ist, hätte man sich andererseits den einen und anderen packenderen Impuls gewünscht.
KURIER-Wertung:
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