Triumph für Haneke beim Wiener Operndebüt
Als Besucher war er immer wieder im Theater an der Wien. Nun stand er erstmals beim Schlussapplaus als Regisseur auf der Bühne: Michael Haneke präsentierte am Montag seine Inszenierung der Mozart/Da-Ponte Oper "Così fan tutte". Dieses Ereignis lockte zahlreiche Spitzenvertreter der Republik an und wurde am Ende gebührend gefeiert.
Diese Regiearbeit ist nicht neu. Sie entstand 2013 als Koproduktion zwischen dem Teatro Real in Madrid und der Brüsseler Oper, nun gastiert sie auf Einladung der Festwochen in Wien. Das Wiener Operndebüt des Oscar-gekrönten Filmregisseurs ist vermutlich schon die Dernière.
Zum letzten Mal
Hanekes Auseinandersetzung mit "Così" wird nach der Wiener Serie in keinem anderen Theater mehr zu sehen sein. Und Haneke hatte bereits angekündigt, fürderhin wahrscheinlich keine Oper mehr zu inszenieren. Das ist schade, weil nach " Don Giovanni" (2006 in Paris herausgekommen) und "Così" ein "Figaro" den wunderbaren Da-Ponte-Zyklus komplettiert hätte.
Dass Hanekes Regie ein Geniestreich ist, hatte der Autor dieser Zeilen schon nach der Premiere in Madrid vermeldet. Nun, in Wien angekommen, ist die Inszenierung noch dichter, kälter, trauriger, auswegloser. Und die großteils jungen Sänger agieren stimmlich freier und darstellerisch ebenso präzise.
Bilder aus "Così fan tutte"
Nicht wenige Regisseure interpretieren ja den "Così"-Stoff komödiantisch, Haneke hingegen legt die Brutalität offen, den Zynismus, die Oberflächlichkeit der meisten Beziehungen. Es ist eine Art Vorstufe zu "Amour", wo es um wahre Liebe geht. Dieser tiefgründigen Produktion gebührt die Höchstwertung. Aber was macht sie eigentlich so exzellent?
Das Bekenntnis zum Schauspiel, zum Versuch der glaubhaften Darstellung: Bei Haneke handelt es sich um Musik-Theater, die Sänger schauen kein einziges Mal zum Dirigenten in den Orchestergraben, sondern konzentrieren sich auf die jeweilige Situation.
Die Personenführung: Haneke zeichnet jede Figur klar, analytisch und plausibel. Don Alfonso und Despina sind ein einander längst hassendes Paar, das zur Housewarming-Party lädt.
Der Chor: Die Damen und Herren aus Madrid sind bestens geführt und wenden sich am Ende von diesem tragischen Spiel ab.
Die Details: An der Wand hängt ein unfertiges Bild von Jean-Antoine Watteau, Despina dekliniert in einem Pierrot-Kostüm, ebenfalls Watteau nachempfunden, alle Clown-Facetten durch.
Die Sänger: Anett Fritsch (Fiordiligi), Juan Francisco Gatell (Ferrando), Paola Gardina (Dorabella), Andreas Wolf (Guglielmo), Kerstin Avemo (Despina) und William Shimell (Don Alfonso) bestechen als Ensemble, die beiden ersteren gesanglich am allermeisten (was nur sie größer, die anderen aber nicht kleiner macht).
Der Dirigent: Sylvain Cambreling fügt sich am Pult der Kammerphilharmonie Bremen bestens in das eiskalte Konzept ein. Er amtet mit dem Spiel auf der Bühne, setzt viele Generalpausen und nicht nur die Partitur, sondern auch das Libretto um. Das Orchester klingt besser als jenes in Madrid, betörend spielen vor allem Holz- und Blechbläser.
Das einzig Schlimme: Man sieht, wie übel zahlreiche andere Inszenierungen sind.
KURIER-Wertung:
Info: Hanekes "Così"-Regie gibt es auf DVD, mit einem Interview, geführt von Ioan Holender, als Bonus.
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