"Tristan und Isolde": Musikereignis in Erl

Es ist ein Werk der Raserei, der Leidenschaft und des Ausgeliefertseins an die Macht, auch jene der eigenen Gefühle: Gustav Kuhn macht Richard Wagners Oper "Tristan und Isolde" zu einem musikalischen, in der Ausstattung reduzierten Ereignis. Und zaubert einmal mehr einen "Wagner total" in der Musik.
Ansonsten herrscht Einfachheit: Eine Leiter als "Ausguck", Segel werden zu einem Baldachin für das Liebeslager – mehr ist da nicht. Irritierend ist allerdings der Mix bei den Kostümen von Lenka Radecky zwischen Rokoko und Pseudo-Revolutionslook.
Töne-Fest
Aber derlei kann dem Wagner-Töne-Fest keinen Abbruch tun. Denn Kuhn, der auch Regie führt, konzentriert sich vor allem auf den Ausdruck im Stimmlichen. Die Bewegung kommt ausschließlich aus der Musik.
Diesfalls ist dies ein kleiner Nachteil für das Optische: Das im Hintergrund aufgetürmte Orchester vor dem Rundhorizont, durch einen Schleier-Vorhang von den Schauplätzen getrennt, deckt die Akteure zu. Sie scheinen winzig.
Brillanz
Das lässt die Emotionen und deren Ausdruck durch die Solisten in den Hintergrund treten – außer im Stimmlichen. Hier blitzt die Brillanz auf. Vor allem bei Bettine Kampp als Idealfall einer Isolde auch im Finale (dem sogenannten "Liebestod") und und bei Hermine Haselböck als Brangäne. Sie sind die dominanten Persönlichkeiten des Abends und zeigen sich als perfekte Wagner-Sängerinnen.
Gianluca Zampieri fügte sich, obwohl erst kurz vor der Aufführung für den erkrankten Michel Baba eingesprungen, in der Rolle des Tristan stimmgewaltig mit dem von Wagner auch gewünschten italienischen Tenor-Pathos nahtlos in das Ensemble ein. Franz Hawlata (Marke) und Michael Kupfer (Kurwenal) überzeugten in Stimme und Ausdruck, während Drummond Walker als Melot Schwächen zeigte. Ein musikalisches Ereignis, das vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.
KURIER-Wertung: **** von *****
Erl bekommt Neujahrskonzert
Auch der Festspiel-Sommer hat die unangenehme Eigenschaft, allzu schnell zu vergehen. Heuer aber gibt es gute Aussichten für Erl-Fans auch im Winter: Am 26. Dezember wird das neue Winter-Festspielhaus eingeweiht.
Das neue Festspielhaus (Kostenpunkt: 36 Millionen Euro) wird neben dem größten Orchestergraben der Welt (160 Quadratmeter) über 862 Sitzplätze verfügen. Und damit eröffnen sich dem Festivalleiter Gustav Kuhn ganz neue Möglichkeiten: Auf dem Programm stehen neben Mozarts "Le nozze di Figaro" und Verdis "Nabucco" unter anderem Messen von Bach, Rossini, Beethoven sowie ein Silvester- und ein Neujahrskonzert.
Sommer
Bis 29. Juli ist aber erstmal noch das gewohnte Sommer-Erl zu erleben. Neben Kammermusikabenden und einem Konzert mit Händel, Mozart und Bach (22. Juli) gibt es am kommenden Samstag (21. Juli) eine ungewöhnliche Premiere: Puccinis "Tosca" gesellt sich zu den Wagneropern. In einer reduzierten, von Kuhn "hall opera" genannten Aufführungsweise, die zwischen halbszenischen und voll ausgestatteten Inszenierungen angesiedelt ist.
Zum Finale setzt Kuhn nocheinmal einen Kraftakt. Beim "Full Power Wagner Wochenende" werden wohl Erinnerungen an ein legendäres Projekt in Erl wach: Den 24-Stunden-Ring im Jahr 2005. Damals zeigte Kuhn "Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" zwischen Samstag- und Sonntagnachmittag. Ein derartiger Marathon wartet nun zum Festspiel-Finale nicht ganz, aber mit "Tannhäuser" (27.), " Lohengrin" (28.) und "Parsifal" (29., 11 Uhr) gibt es eine gebührend hohe Dosis Wagner. – G. Leyrer
Kommentare