Transgender-Textstrom: "Sie sagen Krise, wir sagen Revolution"

Die künftigen Revolutionen sind auf dem Feld der Biopolitik zu führen, davon ist Queer-Theoretiker Paul B. Preciado überzeugt. Stark verkürzt seine Grundthese: Das herrschende System wird durch die Vorspiegelung einer heterozentristischen Realität am Laufen gehalten, wodurch die kapitalistischen Machtverhältnisse nur ja nicht gestört werden sollen.
Das Werk X nutzt Preciados im Jahr 2013 erschienen Roman „Testo junkie. Sex, Drogen und Biopolitik in der Ära der Pharmapornographie“ als Textbergwerk, um die „kontrasexuelle Revolution“ nach Meidling zu holen. Dort wurde der riesige Raum nur mit einem Schreibtisch, einem runden Luxusbett und Badezimmermobiliar gefüllt, am Boden prangt eine Molekülgrafik des Testosterons.

Männlichkeitshormon als Droge
Testosteron-Gel ist bei Preciado, als Beatriz im spanischen Burgos geboren, die Droge der neuen Zeit. Leistungs- und luststeigernd, aber ohne lebensgefährliche Abstürze. Preciado schildert in dem Textstrom seine 2010 begonnene Überführung zu einer Transgender-Person, als „forschendes Subjekt und Laborratte in einer Person“.
Ansätze einer Handlung erfährt der diskurslastige Text durch die Freundschaft zu Schriftsteller G.D. (Guillaume Dustan) und Begegnungen mit der Regisseurin des Skandalfilms „Baise-moi“, V.D. (Virginie Despentes).

Lara Sienczak als Sprecherin der philosophisch-historischen Videoeinspielungen
Das Schauspieler-Quartett (Bettina Schwarz, Birgit Stöger, Christoph Rothenbuchner, Thomas Frank) spricht abwechselnd ins Publikum und hat in postdramatischer Tradition kaum Gelegenheit zur Interaktion. Dafür werden mitunter flammende Reden gehalten: "Sie sagen Krise, wir sagen Revolution ..."
Die herumliegenden Dildos werden nur im gesprochenen Text angewendet. Was gut ist, denn Christine Eders mit historisch-philosophischen Videos angereicherte Inszenierung hat keine Skandalisierung notwendig, sie stellt erhellende, andere Sichtweisen kurzweilig auf die Bühne.
"Testo Junkie" von Paul B. Preciado, aus dem Französischen von Stephan Geene, Inszenierung: Christine Eder. Bühne & Kostüm: Monika Rovan. Musik: Michael Eder. Mit: Bettina Schwarz, Birgit Stöger, Christoph Rothenbuchner, Thomas Frank und Lara Sienczak, Uraufführung im Werk X, Wien 12, Oswaldgasse 35A. Nach dem 18. September (19.30 Uhr) vorerst keine weiteren Aufführungen angegeben; Telefon: 01 / 535 32 00-1
Kommentare