Theaterwissenschafter und -gründer Ulf Birbaumer gestorben
Ulf Birbaumer ist tot. Der Theaterwissenschafter und Theatergründer war eine der umtriebigen Persönlichkeiten in der theoretischen wie praktischen Analyse der Bühnenkunst in Österreich und weit darüber hinaus. Der am 30. Juli 1939 in Waidhofen an der Ybbs geborene Birbaumer verstarb, wie erst jetzt bekannt wurde, in der vergangenen Woche im Alter von 85 Jahren.
Bereits seine Habilitation widmete Birbaumer der Theorie und Praxis alternativer theatralischer Kommunikation, wobei er Vorbilder wie Dario Fo oder Augusto Boal analysierte. Doch bei der Analyse beließ es der joviale Denker, der ab Mitte der 1960er und bis 2004 Professor am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Wien war, nicht. Er setzte seine Erkenntnisse auch in der Theaterrealität um. "Er propagierte Theaterwissenschaft nicht vom Schreibtisch aus zu betreiben und praktizierte bis zuletzt eine aufrechte politische Haltung", verabschiedete sich am Dienstag seine langjährige berufliche Heimat, das Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft von Ulf Birbaumer: "Dabei verkörperte er, was er als Theaterwissenschaftler mit Theater thematisch in Verbindung brachte: kritischen Geist, Schönheit als soziale Kategorie sowie die Freude am Lachen und am verschmitzten Lächeln."
Ein Mitbegründer des GemeindeHOFtheaters
So wurde er 1979 mit seiner Ehefrau Didi Macher und Otto Tausig Mitbegründer und Co-Direktor des bis 1995 bestehenden Fo-Theaters in den Arbeiterbezirken, das unter dem Titel GemeindeHOFtheater Stücke in Areale und zu Publikumsschichten brachte, die sonst von der Hochkulturpolitik im Abseits gehalten wurden. Über 15 Spielzeiten hinweg war man zur Festwochenzeit mit Thespiskarren in den Gemeindehöfen, Parks, Fabrikshallen, Gasthausgärten und Marktplätzen der Wiener Außenbezirke unterwegs. Auch in die Bundesländer und ins Ausland zog man. Das Ende läutete man dann Mitte der 90er ein, weil "neue Armut, immer mehr Hoffnungslosigkeit und Desperation ein Klima geschaffen [haben, Anm.], in dem sich die Menschen gar nicht mehr in ihren eigenen Hof trauen."
Aber auch danach war Birbaumer, der als Gastprofessor auch an der Pariser Sorbonne oder in Florenz tätig war, hochaktiv. So war der Wissenschafter zeitweise Vorsitzender der Jura-Soyfer-Gesellschaft, Vorstandsmitglied der SPÖ-nahen Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik oder Vizepräsident des INST (Institut zur Erforschung internationaler Kulturprozesse). Auch war Ulf Birbaumer bis ins hohe Alter als Herausgeber tätig und edierte etwa die Briefe von H. C. Artmann an Didi Macher im Mandelbaum Verlag unter dem Titel "Schreibe mir, meine Seltsame, schnell". Noch 2023 brachte er im Hollitzer-Verlag "Theatermanifeste aus Österreich 1945-1975" heraus.
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