Tiroler Festspiele Erl: Gelungene Verschränkung zweier Psychodramen

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Hochklassige Überlagerung von Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ und Poulencs „La voix humaine“ bei den Tiroler Festspielen

Von Helmut Christian Mayer

Sie trägt ein Hochzeitskleid, er einen dunklen Anzug. Sie sind ausgelassen, turteln herum und trinken aus der Sektflasche. Bevor sie hinter einem dunklen Vorhang die Bühne betreten, erscheint seitlich eine Frau mit einem Koffer. Die Frauen starren sich an: So lässt Regisseur Claus Guth sowohl Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ als auch nach der Pause Francis Poulencs „La voix humaine“ beginnen.

Obwohl die beiden Stoffe nicht nach Kombination schreien – in einem Fall: ein Herzog, der seine Frischvermählten widerwillig durch sein Gruselschloss führt, im anderen eine Frau am Telefon - gelingt dem deutschen Regisseur ein packender Opernabend. Er erzeugt mit großem Gespür auf eindringliche Personenführung eine unheimliche Psycho-Studie von Beziehungsdramen, in dem die Frau als Objekt steht. Dafür genügt ihm vorerst ein schwarzer Raum, anfänglich nur mit Spots beleuchtet, der sich nach dem imaginären Öffnen der nicht vorhandenen sieben Türen immer mehr zu einem einzigen, unheimlichen großen Saal (Bühne: Monika Korpa) mit Bildern des Gesehenen und einem Kaminfeuer erweitert. Wobei zuletzt die drei verflossenen Frauen, die schon zuvor stets in eigenwilligen Posen zu sehen sind, alle gleich mit einem zuckerrosa Kleid gewandet, hervortreten und Judith sich das gleiche Kleid anzieht und schicksalergeben in die Reihe stellt. 

Zum Ereignis wird der Abend, eine Koproduktion mit mit dem Maggio Musicale Fiorentino, auch durch die fabelhaften, spielfreudigen Protagonisten: Florian Boesch kein Unhold, sondern ein ruhiger fast weicher, zwanghafter Frauenmörder, der mit seinem wunderbar runden, raumfüllenden Bariton aber auch mit Zartheit den Blaubart singt. Ganz anders ist Christel Loetzsch mit rundem, schönem Mezzo eine Judith, die alle Gefühlssphären, von liebend anhänglich, über bockig bis hysterisch gewalttätig durchmacht.

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Dauertelefoniererin in "La Voix Humaine"

Phänomenales im zweiten Teil

Im zweiten Teil, in Poulencs Kurzoper, leistet Barbara Hannigan, wie immer eine brillante Darstellerin und hochvirtuose Sängerin, mit ihrem 45-minütigen, hochintensiven Monolog Phänomenales: Als verzweifelt von einem Mann Verlassene macht auch sie bei Ihrem Dauertelefonat, alle möglichen, emotionalen Ebenen durch, von Schmeicheleien über Resignation bis hin zum Durchdrehen. Nur hin und wieder wird sie vom Orchester etwas zugedeckt. Gegen Ende verschränken sich dann die Stücke wieder, der Raum öffnet sich zum großen Saal. Es tauchen wieder Blaubarts Frauen und auch er auf, den sie dann nach einem Todestanz mit einer Pistole erschießt.

Als „Ouvertüre“ zum zweiten Teil gibt es zusätzlich die Elegia aus Bartóks Konzert für Orchester. Das Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter dem erst 29-jährigen Martin Rajna besticht mit einem süffigen, hochsensiblen und differenzierten Klang, mit Farben- und Detailreichtum.

Stehende Ovationen!

Kurier-Wertung: **** ½ von *****

 

 

 

 

 

 

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