"Knöpfe" im Theater Hamakom: Das Unfassbare in unheimliche Worte fassen

Wenn bei Ibsens „Peer Gynt“ am Ende der Knopfgießer auftaucht, muss der über sein Leben Rechenschaft ablegen. Anders bei Ilse Aichinger, einer der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Nachkriegszeit. Sie fasst in ihrem 1953 entstandenen Hörspiel „Knöpfe“ das Unfassbare der Nazizeit unheimlich in Worte. Bérénice Hebenstreit setzte es für das Theater Hamakom denkwürdig in Szene.
Wie in einem Vexierbild lässt sie Täter und Opfer ineinander übergehen. Subtil weckt sie Assoziationen zu Mitläufertum und der Mordmaschinerie der Nazis.
Im Zentrum der Bühne (Mira König) steht ein begehbarer Kasten. Die Klappen zu seinen Fächern öffnen sich, wenn eine der Figuren spricht. Das Prasseln im Hintergrund macht Neuankömmlingen in der Knopfwerkstatt Angst. Es könnte vom Regen stammen, aber auch von einem Ofen. Niemand will wissen, warum die schönen Knöpfe Namen tragen und nur in der Nacht leuchten. Die Furcht den Job zu verlieren, ist stärker als die Angst vor dem Tod. In der Knopfwerkstatt ist Nachfragen und Denken ein Tabu. Wer etwas verdienen will, muss funktionieren. Eifrig sortieren die Arbeiterinnen die wertvollen Knöpfe, lassen sich von den Vertretern, die ihr Tun überwachen, mitreißen.
Doch Ann will sich damit nicht abfinden. Als ihre Kollegin Jean verschwindet, findet sie heraus, dass diese zu einem Knopf verarbeitet wurde und steigt aus. Gespielt wird ausgezeichnet. Johanna Wolff steht als Ann im Zentrum. Alle anderen im formidablen Ensemble spielen mehrere Rollen. Durch den Verzicht auf Pathos und Emotionen stellt sich pure Beklemmung ein. Jubel für diesen starken Abend.
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