Waltz-Film: Der nackte Sinn des Lebens

Ein Mann liegt auf einer Liege in einem futuristisch anmutenden Labor.
Festival-Premiere für Christoph Waltz in "The Zero Theorem", der neue Streifen von Terry Gilliam.

Die Zukunft ist lärmig und schmutzig, ein Paradies nur für multinationale Konzerne, die alle Energien ihres technischen Proletariats mit absurden Arbeitsmaschinen aussaugen.

Sechs Programmieraufgaben gleichzeitig erledigen? Auch das kann eine Utopie sein.

Christoph Waltz in einem schwarzen Smoking mit Fliege zeigt mit dem Finger auf den Betrachter.
Actor Christoph Waltz arrives for amfAR's Cinema Against AIDS 2013 event in Antibes during the 66th Cannes Film Festival May 23, 2013. REUTERS/Jean-Paul Pelissier (FRANCE - Tags: ENTERTAINMENT)
Wer in dieser Welt sein eigenes Leben, Innerlichkeit oder Ruhe sucht, ist verloren, wie Qohen Leth (Christoph Waltz), der sein Haus nicht mehr verlassen will. Er ist einer der zuverlässigsten Mitarbeiter seiner Firma, aber er würde alles geben, um sein Pensum in Heimarbeit zu erledigen, gerne auch doppelt so viel, solange es nur in der großen Stille wäre.

Dass Qohen tatsächlich eine Kirchenruine bewohnt, gehört zum frontalen Humor, den der Wahlbrite Terry Gilliam (72) so liebt. Das Bett des Helden steht zwischen den Orgelpfeifen, Jesu’ Kopf hinter dem Altar hat eine Kamera ersetzt. Sie sieht alles, wie früher der liebe Gott. Die Schöpfung hat sich in eine alles kontrollierende Geschäftsidee verwandelt, der auch Qohen gehört.

Sinnlos

Das Rollenspektrum von Christoph Waltz (der wegen Dreharbeiten nicht nach Venedig kommen konnte) erweitert dieser Part um einen Mann, der tief verunsichert ist. Nackt bis zur Spiegelglatze stellt ihn der Film vor. Enttäuscht von der realen Welt wartet er auf einen Anruf des Schicksals, der schließlich von seiner Firma kommt, die eine besondere Aufgabe hat: Beweisen, dass das Leben keinen Sinn hat, dass am Ende alles in ein schwarzes Loch stürzen wird.

„The Zero Theorem“ ist eine negative Utopie, absurd und chaotisch, wie man es von Terry Gilliam erwartet, angesiedelt in dem Horizont, den er mit „Brasil“ und „12 Monkeys“ aufgerissen hat. Giftig ist diese Welt, bis in die stumpfen Neonfarben der Bilder. Gilliam liebt immer noch den Eklektizismus, mit dem seine Animationskarriere bei „ Monty Python's Flying Circus“ begonnen hat, aber die Ideen haben sich doch abgenutzt. Mit der britischen Komikertruppe hat er an den Höhepunkten des europäischen Surrealismus gearbeitet, an wahnwitzigen, verspielten Ideengewittern, denen nichts und niemand heilig war. „The Zero Theorem“ fügt dieser fröhlichen Wissenschaft ein weiteres Kapitel hinzu, an dem weniger die Form interessant ist, als ein neuer Ernst, der sich hinter den surrealistischen Übungen abzeichnet.

„Wir haben die Zukunft vielleicht verpasst, vor ein paar Jahren schon. Die Zukunft hat uns geschnappt, bevor wir sie erreicht haben“, sagt Gilliam in einem halb seriösen Moment in der Pressekonferenz. Kein Problem, ihm abzunehmen, dass auch er an die Botschaft seines Films glaubt: Wer eifrig den Sinn des Lebens sucht, wird die Gegenwart des Lebens darüber verlieren.

Ironie

Es steckte eine gewisse Ironie in der Programmierung des Festivals, Gilliams ausufernde Tragikomödie mit Steven Knights „Locke“ (außer Konkurrenz) zu paaren. Das minimalistische Werk, in einem Auto mit nur einem Akteur quasi in Echtzeit inszeniert, erzählt davon, wie ein Mann (Tom Hardy) in einer Serie von Telefongesprächen sein Privat- und Berufsleben komplett zerlegt, weil er nicht auf einem falschen Fundament weitermachen will. Auch das kann manchmal sinnvoll sein.

Von Robert Weixlbaumer

Der Film von Regisseur Terry Gilliam ( Monty Python) steht im Wettbewerb der heurigen Filmfestspiele von Venedig. Christoph Waltz, zweifacher Oscar-Preisträger aus Österreich, spielt an der Seite von Matt Damon und Tilda Swinton. Waltz ist in so gut wie jeder Szene des Filmes zu sehen.

Gilliam

„The Zero Theorem“ gilt als Komplementärfilm zu "Brazil", den Gilliam 1985 realisierte und der auch seine Reputation als Regisseur begründete. Ebenfalls ein Klassiker: „12 Monkeys“.

Starken Applaus gab es nach der ersten Pressevorführung von Terry Gilliams „The Zero Theorem“ bei den Filmfestspielen von Venedig. Ohne den österreichischen Schauspieler Christoph Waltz wäre der Film wohl nie entstanden, schilderte der mit Monty Python weltberühmt gewordene Regisseur. Erst mit der Unterschrift von Christoph Waltz für die Hauptrolle gab es grünes Licht für den Dreh.

Christoph ist der Film“, hatte Gilliam kürzlich in einem Interview mit dem Online-Magazin Indiewire gesagt, schließlich ist der zweifache Oscar-Preisträger in so gut wie jeder Szene zu sehen. Der Film musste mit geringem Budget gedreht werden, die Finanzierung war schwierig. „Alles musste instinktiv geschehen, wir haben sehr schnell gearbeitet“, erklärte Gilliam laut APA bei einer Pressekonferenz in Venedig. „Wir haben uns völlig auf die Brillanz unserer Darsteller verlassen.“ Waltz konnte aufgrund von Dreharbeiten nicht an den Lido kommen, er wird u. a. im nächsten Film von Tim Burton („Big Eyes“) sowie in „Reykjavik“ als Michail Gorbatschow neben Michael Douglas agieren.

„Ich denke, ich zeige die Welt so, wie sie heute ist“, sagte Gilliam. „Wir haben in Sekunden Zugang zum gesamten Wissen dieser Welt, aber gleichzeitig weiß meine Frau nicht mehr, was ich eigentlich für ein Mensch bin.“

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