"The Walk": Ein todesmutiger Drahtseilakt

Man sollte schwindelfrei sein, um diesen Film über einen Seiltanz in 417 Metern Höhe – ohne Sicherheitsnetz und im 3-D-Format ohne Brechreiz zu überstehen. Andernfalls könnte man – salopp formuliert – speziell die letzten Szenen von "The Walk" zum Kotzen finden.
Aber erst einmal der Reihen nach: Der Hollywood-Regisseur Robert Zemeckis war 22 Jahre Jahre alt, als der französische Seiltänzer Philippe Petit 1974 seinen Lebenstraum verwirklichte und vermutlich haben den Filmemacher die Bilder von dem spektakulären Hochseilakt zwischen den Zwillingstürmen des New Yorker World Trade Centers ebenso wenig losgelassen wie den heute 66-jährigen Franzosen seine Obsession. Nun haben sie sich zusammengefunden, um den gewagten Drahtseilakt als 3-D-Abenteuer fürs Kino zu rekonstruieren.
Kriminalfall
Detailverliebt zeigt Zemeckis den Werdegang dieser atemberaubenden Aktion zwischen Kunst-Happening und Kriminalfall: Wie Petit und seine "Mittäter" sich – als Geschäftsleute oder Bauarbeiter verkleidet – den Zugang zu den Türmen erschleichen und heimlich das 200 Kilo schwere Material aufs Dach schaffen. Als sie in der Nacht ein Halteseil mit Pfeil und Bogen von einem Turm zum nächsten schießen, gleitet ihnen der schwere Draht fast ab. Erzählt wird die Handlung aus der subjektiven Sicht von Philippe Petit (Joseph Gordon-Levitt) – stehend auf der hochgehaltenen Fackel der New Yorker Freiheitsstatue. Im Hintergrund ist die erstaunlich überzeugende Rekonstruktion der Zwillingstürme des World Trade Centers zu sehen, die fast wie eine Hommage an die beim Terrorangriff vom 11. September 2001 zerstörten Gebäude wirkt.
Todesangst
Zemeckis präsentiert Petit als Traumtänzer im besten Sinne, der seine Liebe zum Drahtseil zunächst im Zirkus auslebt, dann aber immer höher hinaus will: Auf die Pariser Kathedrale Notre Dame, auf die Harbour Bridge von Sydney Schauplatz und schließlich – als Krönung seiner Guerilla-artig geplanten Aktionen im öffentlichen Raum – die Twin-Towers.
Mit atemberaubender 3-D-Technik geht der Film an die wahnwitzige, illegale, fantastische Aktion heran. Als Zuschauer weiß man zwar, dass das Abenteuer gut ausgehen wird, aber für den Seiltanz am Ende braucht man dennoch gute Nerven, denn die 3-D-Technik vermittelt tatsächlich das Gefühl, selbst hoch über Manhattan zu balancieren.
Hautnah erlebt man, wie Petit den Draht wieder und wieder kreuzt, wie er dem Publikum in der Tiefe salutiert und sich schließlich zum Gespräch mit einer neugierig kreisenden Möwe auf das Seil legt. Die zwischen Hochstimmung und Todesangst schwankenden Gefühle Petits und seiner Freunde kann der technisch perfekte Film dagegen nicht adäquat vermitteln. "Das Kriminalstück des Jahrhunderts", nannte es Petit damals selbst.
The Walk. USA 2015. 123 Min. Von Robert Zemeckis. Mit Joseph Gordon-Levitt, Ben Kingsley.
Autor: Gabriele Flossmann
Im Videointerview mit Rachel Kasuch spricht Hollywood-Regisseur Robert Zemeckis über Höhenangst und seine Sicht auf die "Twin Towers". Weiters sprachen wir mit Hauptdarsteller Robert Gordon-Levitt, der erzählt, dass er von Petit seine ersten Schritte im Seiltanz lernte.
Ein älterer Mann verliebt sich in eine (zu) junge Frau. Dieser Stoff eignet sich für hohe Literatur genauso wie für Mainstream-Unterhaltung. "Der Vater meiner besten Freundin" gehört eher zu Letzterem. Die frivole Komödie führt an die Côte D’Azur, wo zwei Väter mit ihren Töchtern Urlaub machen. Die entspannten Tage werden durch amouröse Turbulenzen gestört, als sich eines der Mädchen in den Vater der Freundin verliebt.
Der Vater meiner besten Freundin. F/BL 2015. 105 Min. Von Jean-François Richet. Mit Vincent Cassel.
Autor: Gabriele Flossmann
Davis Guggenheim widmet seinen neuen Film der jüngsten Friedensnobelpreisträgerin – Malala Yousafzai. Sie war erst 15 Jahre alt, als ihr ein Taliban-Kämpfer einen Kopfschuss verpasste. Ihr "Vergehen": Sie hatte auf ihr Recht auf Bildung bestanden und öffentlich gegen die Extremisten protestiert.
Die bewegende Doku zeigt Malala nicht nur in ihren großen Momenten – wie die Überreichung des Friedensnobelpreises oder bei Empfängen durch US-Präsident Barack Obama – sondern auch ihren Alltag als Teenager in Birmingham mit den typischen Sorgen einer inzwischen 18-Jährigen.
Malala – Ihr Recht auf Bildung. USA/AE 2015. 88 Min. Von Davis Guggenheim. Mit Malala Yousafzai.
Autor: Gabriele Flossmann
In den ersten Filmminuten hört man die Stimme eines Babys, die aus dem Bauch einer schlafenden Schwangeren zu kommen scheint – bis sie plötzlich in einem blutverschmierten Bett hochschreckt. Man fühlt sich an David Lynchs "Eraserhead" erinnert, in dem eine Frau namens Mary nach der Geburt eines missgestalteten Babys so überfordert ist, dass sie Kind und Mann verlässt.
In "Um jeden Preis" heißt die Protagonistin Maria, gespielt von Kim Basinger, und hatte soeben – so erfährt man nach dem anfänglichen Horrorszenario – gerade ihre achte Fehlgeburt. "Wir werden niemals Kinder haben – also scheiß drauf", lautet die rüde Diagnose des Ehemanns, doch Maria bleibt von ihrem Kinderwunsch besessen. Als ihr auch der Arzt mitteilt, dass sie als Mitvierzigerin zu alt sei, um noch einmal guter Hoffnung zu sein, scheut Maria auch vor kriminellen Methoden nicht zurück. Sie hört von Prostituierten an der tschechischen Grenze, die angeblich ihre Babys verkaufen wollen. Zufällig lernt sie einen kleinwüchsigen Drogensüchtigen kennen, der ihr dabei helfen soll. Langsam – zu langsam – entwickelt sich der PsychoFilm zum Horror-Thriller.
Kim Basinger, immer noch sehr attraktiv, macht als Charakterdarstellerin gute Figur, kann aber die allzu konstruiert daherkommende Story nicht vollends retten.
Um jeden Preis. D/DK 2015. Von Anders Morgenthaler. Mit Kim Basinger, Sebastian Schipper.
Autor: Gabriele Flossmann
Obwohl im Titel so angekündigt, wird Vin Diesel in diesem Film wohl nicht der letzte Jäger verlorener Seelen sein, denn schließlich haben Hexen in der abendländischen Kultur eine lange Karriere hinter und wohl auch noch vor sich. In "Der letzte Hexenjäger" macht Vin Diesel einer modernen Hexe im heutigen New York Feuer unterm Besen – aus Rache, weil sie ihn mit dem Fluch der Unsterblichkeit belegt hat. Für einen Action-Star bedeutet dies wahrscheinlich nicht enden wollende Jahre in der Fitness-Folterkammer. Diesels Mitstreiter sind zwei katholische Priester, gespielt von Elijah Wood und Michael Caine. Um Caines Erscheinen im Action- und Fantasy-Genre mehr Würde und Gediegenheit zu verleihen, geht seinem Auftritt eine lange Exposition voraus, die das Geschehen unnötig bremst. Ansonsten will der Film nicht mehr als unterhalten – und das gelingt ihm auch.
The Last Witch Hunter. USA 2015. 106 Min. Von Breck Eisner. Mit Vin Diesel, Michael Caine, Elijah Wood.
Autor: Gabriele Flossmann
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