"Tatort"-Autor über Eisner-Fellner-Nachfolger: "Müssen eigenen Stil finden“

Eine Person liegt am Boden, während Polizisten und Zivilisten in „Tatort“-Szene stehen.
Der viertletzte „Tatort“ mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser bringt am Sonntag (20.15 Uhr, ORF2) eine Konfrontation mit Staatsfeinden. Für Regisseur Rupert Henning ist es der letzte Krimi mit Eisner und Fellner.

Der Fundort der Leiche ist in diesem Wiener „Tatort“ ungewöhnlich. Mitten in den Wirren einer Großdemo im Regierungsviertel liegt ein toter Demonstrant in einer riesigen Blutlache. Und die Situation ist, wie es im Polizeijargon heißt, noch unübersichtlich. Die Einsatzkräfte haben alle Hände voll zu tun, um die Massen im Griff zu halten. Ob sie dabei deeskalierend wirken, wird Teil der Ermittlungen von Moritz Eisner und Bibi Fellner. „Wir sind nicht zu fassen“ lautet der Titel dieses turbulenten Polit-Krimis (Sonntag, 1. Juni, 20.15 Uhr, ORF 2) zwischen Staatsverweigerern, Verschwörungstheoretikern und Geheimdiensten.

Geschrieben hat diesen – nach kürzlich erfolgten Verhaftungen im deutschen Reichsbürger-Milieu – gerade wieder hochaktuellen „Tatort“ Rupert Henning. Henning, der auch Regie führte, erklärt, was ihn beim Schreiben bewegt hat: „In den letzten Jahren haben wir eine Spaltung der Gesellschaft erlebt, einen Dauerausnahmezustand, in dem man sich – gefühlt – seit der Pandemie befindet. Das ist leider nach wie vor aktuell.“

Im vollständigen Interview (siehe unten) spricht Rupert Henning auch über die drastischen Einsparungen bei der Kinofilmförderung.

Interview mit Isabelle Welter und Rupert Henning.

Rupert Henning schrieb seit 2015 fünf Austro-„Tatort“-Folgen. 

Wer gegen wen?

Das Besondere in diesem Fall sieht er darin, „dass die Trennlinie zwischen Tätern und Opfern nicht so klar gezogen werden kann. Das Ermittlerteam muss zunächst einmal herausfinden, wer da eigentlich gegen wen vorgeht und wer im Hintergrund die Fäden zieht. Wer hat ein Interesse daran, ein ganzes Land in Aufruhr zu versetzen?“ Es habe in den letzten Jahren „ein ganz großes Nein zu staatlicher Bevormundung, zu ,denen da oben‘“ gegeben, meint Henning. „Wenn man mit diesen Leuten spricht, die dieses Nein formulieren, kommt man oft drauf, dass die gar nicht so genau wissen, wogegen sie wirklich sind. Weil diese Protestszene auch sehr inhomogen ist. Da protestieren Leute zusammen, die es früher eher vermieden hätten, gemeinsam aufzutreten.“ Er habe sich die Frage gestellt: „Was eint die eigentlich? Es scheint ein generelles Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und letztlich gegenüber der Demokratie zu geben.“ Und er habe hinterfragen wollen: „Was sind sie bereit, mit dem Bade auszuschütten?“

Szene aus „Tatort“: Ein Mann übergibt einer Frau eine Tasche an einer Bar.

Gerald Votava als Aussteiger aus der radikalen Szene; mit Christina Scherrer als Co-Ermittlerin Meret Schande

Henning diagnostiziert auch eine „abnehmende Bereitschaft zum Kommunizieren“. Statt „echten Meinungsaustauschs“ würden sich die Leute „nur mehr ihre Meinungen an den Schädel“ hauen, „und gelegentlich nicht nur Meinungen. Das ist bedenklich, weil eine Demokratie maßgeblich dadurch gestützt wird, dass es Dialog gibt.“

Vergleichsweise wenig der typischen Fellner- und Eisner-Dialoge, in denen die beiden sonst ihre Befindlichkeiten austauschen, gibt es in diesem „Tatort“. Henning habe schon beim Schreiben gemerkt: „Ups, da hat das Team gar keine Zeit, um sich mit sich selber zu beschäftigen, weil so viel auf sie einprasselt, weil sie vor der wirklich großen Herausforderung stehen, in dieser aufgeheizten Stimmung im Land kühlen Kopf zu bewahren.“ Aber Fellner und Eisner seien „einfach immer ein großartiges Team und können auch ganz schnell sehr privat und sehr persönlich werden“, meint Henning. „Sie können Konfliktsituationen sehr effektiv lösen, mit viel Humor und Selbstironie. Weil sie einander respektieren. Das zeigt, dass auch in einer Atmosphäre des Gegeneinanders ein Miteinander möglich ist. Der Film soll ja zum Miteinander ermutigen, da bin ich ganz ,aufklärerisch‘ unterwegs.“

„Tatort: Wir sind nicht zu fassen!“

Abschied über Wien

Das Aufklärerische kommt im Schlussbild massiv durch, als Eisner und Fellner mit Blick auf Wien über die Demokratie als beste unter den schlechten Staatsformen räsonieren. Das hat auch etwas von Abschied nehmen eines Autors von diesen Figuren. Denn 2026 wird das letzte Jahr der beiden Ermittler sein und Henning hat von den verbleibenden Fällen keinen geschrieben.

Für die Zukunft der Reihe ist er „guter Dinge“. „Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer haben natürlich eine Ära geprägt, sind eine Trademark geworden“, sagt der Autor. Wer das neue Team sein wird? „Steht meines Wissens nach noch nicht fest“, sagt Henning. Er wünscht sich „Persönlichkeiten, die gar nicht erst versuchen, in Adeles und Haralds Fußstapfen zu treten. Sie müssen ihren eigenen Weg, ihren eigenen Stil finden.“

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