von Silvia Kargl
Tänzerische Höchstleistungen, zwei Werke eines der gefragtesten Choreografen der Gegenwart, dazu zeitgenössische Musik auf höchstem Niveau: Tanz Linz zeigt unter der künstlerischen Leiterin Roma Janus, wie wirkungsvoll zeitgenössischer Tanz im Repertoire eines Musiktheaterbetriebs verankert werden kann.
Ein Coup, den Janus für die jüngste Premiere im Musiktheater Linz am Samstag landete, war das Engagement des belgischen Starchoreografen Sidi Larbi Cherkaoui, der gleich zwei Stücke neu einstudierte. Dass der viel Beschäftigte für die Probenarbeit persönlich nach Linz kam, ist Zeichen einer großen künstlerischen Anerkennung.
Dabei ist „Fall“, entstanden 2015, ein in seiner Zartheit und Abstraktheit poetisches Stück, auf den ersten Blick kein „typischer“ Cherkaoui. Doch es erweitert das Spektrum seiner meist viel lauteren, bildgewaltigen Choreografien. „Fall“ steht nicht nur für den Herbst, sondern besonders für fallende Blätter. Alles dreht sich, fließt ineinander, wird von Wind bewegt, der durch die Stoffe am Bühnenrand wogt. Paare finden zusammen und lösen sich, scheinen über Wolken zu schweben.
Ein choreografischer Höhepunkt sind Trios, die in mehreren Gruppierungen auf der Bühne gespiegelt werden. Selbst nahezu circensische Akrobatikelemente wirken dabei spielerisch, das Tanzvokabular wird von Ballettformen durchzogen. Zu Musik von Arvo Pärt entsteht eine Art Tanz-Sinfonie, in deren Finale zu „Orient & Occident“ doch wieder der bekannte Cherkaoui zu entdecken ist. Dem in Antwerpen geborenen Künstler mit marokkanischen Wurzeln geht es immer auch um einen Austausch von Kulturen, um Kommunikation von Menschen über alle Grenzen hinweg.
Das Überwinden von Grenzen steht im Zentrum des zweiten Stücks. „Orbo Novo“ hatte 2009 beim Jacob’s Pillow Festival in Massachusetts/USA Premiere. Wie konnte aus der Beschäftigung mit medizinischen Forschungen zum Schlaganfall ein Tanztheater-Stück entstehen? Cherkaoui gelang es vor allem mit dem Aufzeigen und Überwinden von Barrieren, letzten Endes auch von Missverständnissen, wenn sich Betroffene nicht mehr für ihre Umwelt verständlich artikulieren können.
Dafür komponierte Szymon Brzóska Musik, die physiologische Prozesse deutet. Cherkaouis Stil ist diesmal reich an Gesten und kulminiert in einem verzweifelten Solo des Unverstandenen: Zweifellos lässt diese Choreografie anno 2025 eine aktuelle Interpretation zu.
Neben den Tänzerinnen und Tänzern von Tanz Linz sind zudem Studentinnen der Tanzakademie OÖ am Erfolg des Abends beteiligt, wie auch das Bruckner Orchester Linz unter der musikalischen Leitung Marc Reibels.
Kommentare