Sven Regener: "In der Kunst ist auch das Traurige schön"
Er schreibt seinen Namen nicht auf Plattencover. Musik veröffentlicht Sven Regener fast nur mit Element of Crime. „Eine Band gibt die Möglichkeit, dass man ein bisschen hinter die Kunst zurücktritt“, sagt er. Für ihn sind es „die einzigen dauerhaft funktionierenden Künstlerkollektive“. Und: „Man hat ja auch nur eine richtige Band in seinem Leben.“
An Schnickschnack oder Kraftmeierei liegt dem Hanseaten wenig. In der Band würden die Entscheidungen im Kollektiv fallen, ohne „Bestimmerei“. „Es funktioniert so: Wenn einer von uns irgendwas gar nicht machen will, dann wird es nicht gemacht. Eine Art Negativ-Demokratie.“
Geeinigt hat man sich bereits auf das 15. Album: „Morgens um vier“. Für Regener „eine seltsame Zeit, in der sich die Welt zwischen Ein- und Ausatmen befindet, einen kurzen Moment total still steht.“
KURIER: Sie haben gesagt, Sie schreiben ungern Ihren Namen auf eine Platte drauf. Ist die Idee der Band für Sie die ideale Form, Musik zu machen?
Sven Regener: Eine Band gibt die Möglichkeit, dass man ein bisschen hinter die Kunst zurücktritt. Den eigenen Namen schreibt man auf eine Soloplatte oder auf Romane. Das ist etwas anderes, als wenn man als Band sagt: Wir sind jetzt ein Kollektiv und wir, Jakob, Richard und ich, also Element of Crime, verantworten das zusammen. Gerade am Anfang war das für mich wichtig. Junge Musiker gründen irgendwann eine Band, weil sie sich so der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung versichern. Die einzigen dauerhaft funktionierenden Künstlerkollektive sind eigentlich Rockbands. Man hat ja auch nur eine richtige Band in seinem Leben. Also nach den Beatles noch die Wings zu machen, kann man tun, aber das überzeugt ja nicht so richtig.
Gibt es einen Bestimmer bei Element of Crime?
Das eher nicht. Wir sind schon sehr unterschiedliche Leute und haben auch unterschiedliche Vorstellungen. Es funktioniert so: Wenn einer von uns dreien irgendwas gar nicht machen will, dann wird es nicht gemacht. Eine Art Negativ-Demokratie. Die Idee ist, dass auf diese Weise niemand gezwungen wird, etwas gegen seinen Willen, seinen Geschmack oder seine Überzeugung zu tun. Das wäre dann sonst ja Bestimmerei. Und das funktioniert erstaunlich gut, denn jeder überlegt natürlich ganz genau, wann er dieses Vetorecht einsetzt. Und wenn das jemand tut, dann gibt es auch keine Diskussionen mehr und keine Versuche, Druck auszuüben.
Im August 2022 ist David Young verstorben. Wie war er im Bandgefüge zu Hause? Und welches Loch reißt sein Tod nun hinein?
Er hatte immer diese Grunddistanz, das war auch wichtig. Zunächst einmal räumlich, weil er in England wohnte. Wir hatten ihn ja seit 1988 als Produzenten und da brauchst du so eine Art außenstehende Instanz, die in der Studiosituation die Sache überblickt. Er hat live dann auch ab 2003 Bass gespielt, vorher Gitarre ab 1993, aber die grundlegenden Entscheidungen haben wir immer zu dritt gefällt, also Richard, Jakob und ich. Dave war Produzent, und er war uns auch Freund, Lehrer und Mentor. Was mich betrifft, so war er vielleicht mein bester Freund. Das aber unabhängig von der Band. Wobei das mit dem Lehrer- und Mentording natürlich nach all den Jahren nicht mehr so die Rolle spielte. Wenn wir anderen mit 60 noch nicht wüssten, wie man eine Platte produziert, hätten wir ein Problem. Der Verlust war vor allem ein menschlicher und das kann man nicht kompensieren. Ist aber auch sehr privat und persönlich.
Sie haben Ihren aktuellen Podcast ausschließlich David Young gewidmet und sind tief in die Bandgeschichte eingetaucht. Offenbar war das sehr erfolgreich von den Abrufen her. Haben Sie das Gefühl, dass sich die Leute sehr für die Produktionsbedingungen interessieren?
Wenn man in Deutschland oder Österreich lebt und die Toten Hosen nicht kennt, dann hat man schon ganz schön nicht aufgepasst. Egal, ob man ihre Musik mag oder nicht oder sich dafür interessiert oder eben auch nicht. Aber Element of Crime muss man nicht kennen, außer wenn man sich für solche Muik interessiert. Und sind auch solche Details, die Musikproduktion usw. betreffend, unter Umständen interessant. Dazu kommt: Diese Band hat ja nicht nur einfach 15, 16 Platten gemacht, sie hat 1985 angefangen, das waren ganz andere Zeiten. Die Mauer stand noch. Und wir haben die erste Platte in Düsseldorf aufgenommen; auf dem Atatak-Label, auf Englisch, nur auf Vinyl. Da ist auch viel Zeitgeschichte drin enthalten, 38 Jahre sind eine lange Zeit. Da ist so viel passiert. In einer Erinnerung kamen wir gerade aus dem Studio, und die Mauer war weg. 1991, als wir die "Damals hinterm Mond" aufnahmen, fand der erste Golfkrieg statt. Das Interessante an einer Bandgeschichte ist, dass man sich durch die Plattenproduktionen so Marker oder Einschnitte setzt. Ich weiß zum Beispiel noch ziemlich genau, wie sich das Leben 1993 angefühlt hat, als wir "Weißes Papier" herausgebrachten.
Das aktuelle Album ist auch im ein Zeichen eines Krieges in Europa entstanden. Es kommt am Ende im Song "Alles in Ordnung" die Textzeile "Und alle Kriege sind vorbei" vor. Ist das ein aktuelles Statement oder überzeitlich zu sehen?
Sowohl als auch. Die Dinge entstehen in ihrer Zeit und sind nicht unbeeinflusst davon. Aber wenn man nicht allzu flach ist, hat man vielleicht auch die Chance, über diese Zeit hinauszuweisen, damit man so ein Lied auch in zehn Jahren verstehen kann. Die Welt ist am Ende der Scheißhaufen, der sie nun mal ist. Die ganzen 90er Jahre hindurch - bei "Weißes Papier", "An einem Sonntag im April", "Die schönen Rosen", auch noch bei "Psycho" - tobte dieser Jugoslawienkrieg, das muss ich hier in Österreich ja niemand erzählen. Daran ist nichts zu beschönigen, das ist nicht einfach nur Vergangenheit. Das ist eben der Punkt. Egal, was wir an Kunst produzieren, wir produzieren es immer vor dem Hintergrund einer Welt, in der furchtbare Dinge passieren. Insofern ist das jetzt für uns nichts speziell Ungewöhnliches gewesen, unter diesen Bedingungen, dass dieser Überfall auf die Ukraine stattgefunden hat. Das ist etwas, mit dem wir leider leben müssen. Oder wie es bei uns heißt: "Wir haben keine Lösung. Wir haben Lieder."
Die Videos zu den beiden Singles "Unscharf mit Katze" und "Dann kommst du wieder" spielen in Bars. Ihre Partnerin, Charlotte Goltermann, beschrieb es auf Facebook als "altersgemäßes Ausgehen". Wie korreliert das mit dem Albumtitel "Morgens um vier"?
Das hat mehrere Aspekte. Vielleicht wacht man um um vier Uhr auf und kann nicht mehr einschlafen. Vielleicht ist man noch irgendwo unterwegs und sehr allein. Oder sehr zu zweit. Es ist eine seltsame Zeit, in der sich die Welt zwischen Ein und Ausatmen befindet, einen kurzen Moment total still steht. Vor allem in großen Städten hat man das Gefühl, dass einen ganz kurzen Moment lang Ruhe ist. Die Gedanken laufen dann möglicherweise Sturm und entwickeln sich ganz anders, weil keiner da ist um einen abzulenken.
Dann das Vogelgezwitscher ...
Ja, es geht dann bald los. In dem Augenblick, kurz bevor die Sonne aufgeht, beginnen die Vögel total Lärm zu machen. Das ist lustig. Ich habe einmal in einer Straße mit ganz vielen Vögeln gelebt, weil das am Fluss war, wo es viele Insekten gibt. Da bin ich um diese Zeit nach Hause gekommen, es war gerade Sommer. Und als der Morgen graute, fingen plötzlich diese Vögel an, wie auf ein Kommando total Lärm zu machen. So um halb fünf ging dann die Sonne auf und dann waren sie plötzlich wieder still. So nach dem Motto: Wir haben das jetzt geschafft! Sonnenaufgang: Unser Werk! Die waren so engagiert, das war unglaublich.
Bem Vogelbeerbaum, den sie auch besingen, denkt man in Österreich eher an Schnaps ...
Und ganz zu recht.
Ist der in Deutschland auch gebräuchlich?
Ja, man kennt das. Aber diese Obstschnäpse sind eher so ein süddeutsches Ding, im Norden wird mehr Korn und Kümmelschnaps getrunken.
Morgens um vier
Die Berliner Band erlitt im August 2022 einen schmerzlichen Verlust: Bassist David Young verstarb 73-jährig. Dem Briten widmeåte die Band eine Folge ihres Podcasts „Narzissen und Kakteen“. Auf ihrem neuen Album „Morgens um vier“ (Universal) erweisen sich Element of Crime mit ihren melancholisch-poetischen Liebesliedern erneut musikalisch verlässlich. Viele der zehn Songs (z.B. „Unscharf mit Katze“ oder das Duett „Dann kommst du wieder“) bleiben hängen
Die Frau mit dem Arm
Zum zweiten Mal veröffentlichte Sven Regener ein Buch (Galiani Verlag) mit Neue-Deutsche-Welle-Star Andreas Dorau („Fred vom Jupiter“). Dorau erzählte ihm Skurriles aus Beruf und Leben, Regener formulierte dann Sätze wie: „Wer will schon bei euphorischen Leuten beliebt sein?“
Zum Buch von und mit Andreas Dorau. Da steht der Satz: "Wer will schon bei euphorischen Leuten beliebt sein?" Ist das ein Dorau, ein Regener, oder von beiden?
Das ist ein typischer Dorau. Das Interessante bei Andreas und mir ist, dass ich ihn sehr gut verstehe, in seiner ganzen Art zu denken. Obwohl ich ganz anders bin als er. Deshalb kann ich ihm immer Formulierungen vorschlagen, wie man das, was er da sagt, schreiben könnte. Damit es wirklich so ankommt, wie wenn es Andreas sagt. Das ist nicht baugleich, das fällt nicht in eins, sondern das sind verschiedene Mittel. Beim Sprechen ist ja immer noch der Tonfall dabei, der einen Subtext transportiert und das fällt beim geschriebenen Text weg, daher muss man das oft ein bisschen anders formulieren. Gerne auch mal sehr drastisch.
Wie würden Sie Andreas Dorau beschreiben?
Er ist ein sehr außergewöhnlicher Künstler mit sehr eigenwilligen Ansätzen bei allem, was er macht. Er bewegt sich in einem Schilderwald an klaren Regeln, den er sich selber aufgestellt hat. Zum Beispiel sagt er: Ich bin kein Musiker, hab' mit Musik nichts zu tun. Ich suche mir Musiker, die machen das für mich. Er ist auch wie ein Katalysator, er bringt Leute dazu, mit ihm Dinge in die Welt zu bringen, die ohne ihn nie entstehen würden. Und da bin ich auch nur einer von vielen.
Aber könnte der Satz auch von Ihnen sein?
Mir ist es völlig egal. Ich habe nichts gegen euphorische Leute. Wenn man bei denen beliebt ist, ist das gut. Wenn man bei ihnen nicht beliebt ist, ist es auch gut.
In einem Interview wurden Sie gefragt, ob Sie eine Rampensau seien. Und Sie haben mit "Ja" geantwortet.
Rampensau, naja, was heißt das schon? Ich möchte jedenfalls nicht unbedingt beliebt sein. Auch nicht unbeliebt. Meine Person sehe ich da als nicht so wichtig an. Bei Andreas ist die Kunst auf eine ganz andere Weise mit seiner Person verknüpft. Es ist fast wie bei Konzept- und Performancekünstlern. Er darf niemals erfahren, dass ich das über ihn gesagt habe. Aber wir sind hier im Ausland, da kann ich das mal machen. Aber ich glaube, bei wem er beliebt ist oder nicht, spielt für ihn eine viel größere Rolle als bei mir.
Meine Kinder, noch gerade im Kindergartenalter, haben im Auto, weil das der Algorithmus gerade hergab, "Ein Hotdog unten am Hafen" und "Delmenhorst" gehört und sind seitdem Fans. Wie finden Sie das?
Das ist doch gut! Man kann das ja überhaupt nicht steuern als Künstler und sollte das auch nicht wollen. Jeder Mensch, der sich an dem, was man tut, erfreuen kann, ist willkommen. Egal wie alt, egal welchen Geschlechts, ist völlig egal. Ich weiß, dass früher der Rock'n'Roll die Bedeutung einer Jugendkultur hatte. Aber das ist ja schon lange nicht mehr so und das ist auch ganz in Ordnung so. Ich war bei den Rolling Stones und auch bei Paul McCartney in der Waldbühne und ich habe dort Leute jeden Alters gesehen. Ich kann mich noch erinnern, Anfang der 70er Jahre, da war ich ungefähr zehn Jahre alt, hatten meine Eltern den Stern zuhause und da war ein Artikel darüber, dass die Rolling Stones nun 30 würden, und damit jetzt zum alten Eisen gehören würden, und dann wurde darüber spekuliert, wie sie wohl damit klarkommen werden. So einen Artikel würde man heute nicht mehr schreiben.
Besonders beliebt bei den Kindern ist die Textzeile "ein geselliges Tier ist das Schwein“ …
Das Lied ist auch sehr beliebt bei den deutschen Pfadfindern, es ist in vielen Liederbüchern drin und wird an den einschlägigen Lagerfeuern wohl sehr gerne gesungen. Wir haben einmal bei so einem Pfadfinder-Deutschlandtreffen gespielt. Als wir "Ein Hotdog unten am Hafen" gespielt haben, da flogen alle Löcher aus dem Käse. "An Land" und "Ein Hotdog unten am Hafen", das sind die beiden absoluten Pfadfinder-Hits. "Ein Hotdog unten am Hafen" ist nie auf einer Platte erschienen, sondern nur als Single und ist auf Spotify das zweiterfolgreichste Lied, was dafür spricht, dass es von jüngeren Leuten stark konsumiert wird.
Hören Sie selbst Musik über Streaming?
Ja klar, ich habe alle Streamingdienste abonniert. Als Musiker muss ich ja wissen, wie das läuft. Es hat viele Vorteile, gleichzeitig ist es natürlich auch schwierig. Es ändert viel, das ist schon so ein Epochenbruch, weil das persönliche Commitment zu bestimmten Künstlern wegfällt. Früher lief es so: Man mochte Elvis Costello, dann kam die Platte, dann kaufte man sich die. Da war eine sehr enge Bindung zwischen den Leuten und dem Album. Das findet heute eher über Konzerttickets statt, was okay ist. Ich bin kein sehr sentimentaler oder nostalgischer Mensch, aber es ist eine schwierige Übergangsphase. Die Bedingungen für die Musikproduktion und für die Plattenfirmen werden sich dadurch sehr verändern, dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Für junge Musiker ist es oft sehr schwierig, weil sie sehen müssen, wie weit es sich überhaupt noch lohnt, neue Musik zu produzieren.
Das klingt sehr pessimistisch ...
So eine große Plattenfirma hat Millionen Songs im Katalog und entsprechend im Stream. Und das regnet den ganzen Tag herein, da prasselt die ganze Zeit Geld aus dem Himmel. Die überlegen sich dann sicher auch, warum sie noch zehn neue Songs da dazugeben sollen. So eine Neuproduktion kostet viel Geld, und bis sich das über das Streaming amortisiert hat, braucht es eine lange Zeit. Ich habe Angst, dass da auf lange Sicht eher weniger als mehr geschieht. Von kleinen Plattenfirmen brauchen wir kaum zu reden, die sind ja meist schon weg.
Ihre Lieder sind oft melancholisch, aber trotzdem machen sie ein gutes Gefühl, wie erklären Sie das?
In der Kunst ist auch das Traurige schön. Das ist der Unterschied zum richtigen Leben. Da ist das Traurige nur traurig. Ein trauriges Lied kann auch ein schönes Lied sein, ein trauriges Erlebnis im richtigen Leben kann nicht schön sein. Und die Kunst hilft uns dabei, die vielen traurigen Dinge im Leben zu ertragen, weil sie uns in gewisser Hinsicht die Möglichkeit gibt, uns, unsere Existenz, unsere Probleme, Sorgen und Nöte aus einer Distanz heraus zu sehen, quasi Urlaub vom eigenen Ich zu nehmen. Das kann man gar nicht überschätzen.
Sie singen "Dann kommst du wieder" im Duett mit Tobias Bamborschke. Warum wollten Sie ein Duett auf dem Album haben und wie sind Sie auf ihn gekommen?
Das schöne am Duett ist, wenn das Lied eigentlich gar nicht dafür gedacht war, dass man einfach einmal einen Teil des Gesangs abgibt. Das ist für einen, der seit ewig und drei Tagen der einzige Sänger in der Band ist, durchaus ein großer Schritt. Und wenn Duett, dann bitte mit Tobias Bamborschke. Er Ist Sänger bei Isolation Berlin, einer Band, die uns sehr nahe ist, Tobias ist ein guter Freund und ein ganz toller Sänger. Ich finde es ganz zauberhaft, wie er das singt. Und mir gefällt auch der Kontrast zu dem, wie ich das singe. Da steh' ich drauf.
In "Die Frau mit dem Arm" gibt es ein Kapitel über Andreas Dorau als Video Consultant. Wäre er mit ihren aktuellen Videos zufrieden, weil Sie das Produktionsbudget wahrscheinlich nicht überzogen haben ...
Er hat die Videos zumindest gelobt. Aber welche Kriterien er dabei angelegt hat, kann ich nicht sagen. Gedreht hat die Videos Charlotte Goltermann. Ich selber bin ja eher eine von den Leuten, die sich für Musikvideos nicht so interessieren. Ich hatte in den 90er Jahren sehr darunter gelitten, dass Musikvideos damals so eine große Rolle spielten. Das ist Gottseidank mittlerweile vorbei. Das Gute an unseren Videos ist, dass sie den Hörern ihre eigenen Bilder zum Lied nicht wegnehmen. Weil das ist ja das Gefährlichste, wenn versucht wird, den Song selbst in Bildern nachzuerzählen, weil dann die eigenen, individuellen Bilder, die beim Hören entstehen, dabei verloren gehen können.
Also finden Sie es sympathisch, dass Sie in den Videos nicht sonderlich viel tun müssen?
Ganz genau, wir sind eigentlich die Erfinder des Videos, wo auch gerne mal gar nichts getan wird. Schon bei den letzten Platten haben wir Videos gemacht, wo wir einfach auf dem Rasen sitzen oder auf einer Bank und Rotwein trinken. Das war gut, das ist ein bisschen wie eine Bebilderung bei diesen Bildplatten, die sie früher in den japanischen Karaoke-Bars hatten: Frauen, die unter einem Wasserfall langlaufen. Das fand ich immer ganz gut, weil das so offensichtlich auseinanderfiel. Man singt so einen Text von den Carpenters und dann läuft im Hintergrund eine Frau unter einem Wasserfall durch.
Wie war es als langjähriger Nichtraucher, eine Kräuterzigarette zu rauchen?
Ja, seltsam. Aber auch völlig folgenlos, das war das Gute. Ich darf auf keinen Fall Nikotin zu mir nehmen. Ich bin ein trockengelegter Nikotinjunkie ...
Ich habe gelesen, dass Sie sich in verschiedenen Situationen fragen, was Bob Dylan jetzt tun würde. Kommt dieser Gedanke wirklich oft bei Ihnen?
Nein, aber man braucht ja ein Bezugssystem. Das gilt auch für andere Künstler, die man bewundert, dass man immer ein bisschen schaut, wie sind die mit einer gewissen Situation umgegangen. Wenn ein Künstler, den man mag, zum Beispiel Werbung für Ikea machen würde, wie fände man das? So muss man das verstehen. Aber man darf es auch nicht so ernst nehmen, denn Bob Dylan hat schon mal fast alles getan. Insofern kann man da kaum etwas falsch machen.
Im Pressetext lese ich, der Song "Dann kommst du wieder" soll die Fahne der Hoffnung hochhalten. Ist das Hoffen zurzeit besonders schwierig?
Nein, das ist immer nötig. Je schwieriger die Lage ist, desto mehr klammert man sich auch an die Hoffnung.
Element of Crime ist eine sehr verlässliche Band. Man weiß, was man bekommen wird, aber trotzdem sind immer Songs dabei, die hängen bleiben, es wird nicht langweilig. Wie gelingt das und sind Sie sich selber auch immer sicher, dass das so funktioniert?
Ich freue mich, dass Sie das so sehen. Das ist halt etwas, was man sich als Künstler nur wünschen kann, aber man kann es nicht steuern. Wir folgen nur unserem eigenen Herzen, um es etwas schwülstig sagen. Wir können nur das machen, was wir selber gut finden. Und das ist das einzige Referenzsystem, das wir haben.
Danke für das Gespräch.
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