Jahrhundertprojekt in Stift Melk: Hinter den barocken Kulissen der Bibliotheksrenovierung

Jahrhundertprojekt in Stift Melk: Hinter den barocken Kulissen der Bibliotheksrenovierung
Die Renovierung der Stiftsbibliothek geht in eine herausfordernde Phase. Ein Lokalaugenschein vom Stiftsfundament bis hinauf zum Prunksaal.

Ein Jahrhundertprojekt wie die Renovierung der prunkvollen Bibliothek von Stift Melk hat von vornherein eine nicht kleine Zahl an Herausforderungen: Darunter die baulichen Eigenheiten historischer Gemäuer, der Erhalt der barocken Pracht trotz neuer moderner Technik und die hohe Zahl an Touristen, denen man während der bis 2032 geplanten Renovierung den Besuch möglichst ungehindert ermöglichen will. Die eine oder andere Herausforderung aber ist dann doch überraschend.

Wir stehen vor einem modernen, schon schön herausgeputzten Bücherlager mit beweglichen Archivregalen unter den Prunkräumen der Stiftsbibliothek. Eine Treppe führt hoch zu einem Raum, der künftig der Bücherrestaurierung gewidmet sein soll.

Jahrhundertprojekt in Stift Melk: Hinter den barocken Kulissen der Bibliotheksrenovierung

Im Türbogen jedoch blättert die Farbe von der Decke.

Baudirektor Gottfried Fuchs, Bibliothekschef Johannes Deibl und Stiftsbaumeister Peter Griebaum haben zuvor bereits viel über Feuchtigkeit, für die Ziegel gefährliche Salze und den nackten Felsen erzählt, auf dem der barocke Prunkbau von Architekt Jakob Prandtauer steht. 

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Hier aber gibt es ein doch etwas überraschendes Problem, das die Deckenfarbe angreift: In diesem Raum wurden jahrzehntelang Hühner gehalten. Deren Lebensäußerungen wirken bis heute nach.

Nächste Etappe

Ein Gebäude wie das Stift lebt – und bekommt in dem umfangreichen Restaurierungsprojekt neues Leben eingehaucht. Die bis 2032 angesetzte Renovierung umfasst elf Etappen, die nächste wird im April offiziell gestartet. Beim KURIER-Augenschein ist auf der Baustelle viel los: Man will die stillere Zeit nützen, in der es weniger Stiftsbesucher gibt als im Frühling und Sommer.

„Eigentlich würden wir jetzt auf dem nackten Felsen stehen“, sagt Griebaum. Wir sind ganz unten, da, wo sonst eigentlich kein Zutritt ist. Hier, am Fundament, wurde eine dünne Schicht Beton ausgelegt und eine Luftöffnung aufgemacht, um die Feuchtigkeit aus den Mauern zu bekommen. Diese „ist ein großer Feind“, sagt Griebaum, man versucht, aufsteigende Feuchtigkeit zu bekämpfen – aber mit den geringstmöglichen technischen Mitteln. „Eine Klimaanlage ist nicht immer die erste Wahl.“

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Die Vorarbeiten haben schon Mitte der 2010er-Jahre begonnen. Hier unten steht auch ein riesiger Kessel, mit blitzblanken Rohren mit der darüberliegenden Bibliothek verbunden. Er ist das Herzstück der neuen Hochdruckvernebelungsanlage, die – neben modernen Brandschutztüren – im schlimmsten Fall, einem Brand, noch Schlimmeres verhindern soll.

Oben in der Bibliothek, im mehrfach versperrten Saal der Handschriften und auch in der Belletristikabteilung mit ihren aufgemalten Holzmustern ist jede Düse, aus der im Brandfall Wasser vernebelt wird, einzeln gesteuert: Sie lösen nur aus, wenn die Temperatur einen gewissen Schwellenwert übersteigt. So sollen Brände möglichst punktuell bekämpft werden, um die wertvollen Bücher nicht zu beschädigen. Der Nebel soll die Flammen ersticken, ohne zu viel Wasser zu versprühen. Im Prunksaal ist die moderne Schutztechnik wohlverborgen: Wer dank eines Hinweises des Bibliothekschefs genau schaut, sieht einen Buchrücken, aus dem eine Düse ragt.

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Erste Renovierung

Die Stiftsbibliothek als Teil des UNESCO-Welterbes umfasst etwa 130.000 Bände, davon 1.800 Handschriften und 750 Inkunabeln aus der Frühzeit des Buchdrucks. Besonders gesichert ist der Raum mit den Handschriften, hier lagert auch das älteste Werk der Bibliothek, das „Beda Venerabilis“ aus dem frühen 9. Jahrhundert. 

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Die Schätze insgesamt sind sonder Zahl; parallel zu den Bauarbeiten werden Tausende Bücher untersucht und bei Bedarf restauriert. Seit der Fertigstellung der Bibliothek im Jahr 1736 ist diese ohne Unterbrechung in Betrieb, es ist die erste umfassende Renovierung überhaupt.

Die Renovierung soll im Laufe der Jahrhunderte entstandene Schäden beheben und die nötige Technik ergänzen; manche Räume waren früher ungeheizt. Aber auch hier gilt es immer, an die Sicherheit zu denken: So wird am Abend der Strom abgestellt, die weiterlaufenden Anlagen funktionieren mit Niedrigstrom, um die Brandgefahr zu minimieren.

Die größte Herausforderung für die Bücher ist das Klima. Das darf sich nicht schlagartig verändern, Sensoren an der Wand überprüfen Temperatur und Luftfeuchtigkeit. 

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Spezielle Fenster filtern in den außen liegenden Räumen die schädliche UV-Strahlung aus dem Sonnenlicht. Wichtig ist, dass diese Fenster auch die historische Optik abbilden, sagt Fuchs.

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Unliebsame Überraschungen hat es jedenfalls in großem Rahmen bisher keine gegeben, schildern die Drei. Und auch Bücher sind „erstaunlich haltbar“, sagt Deibl. Da im Stift alle an einem Strang ziehen, ist es sogar möglich, neue Räume für die Bibliothek zu erschließen. Auf der Ebene der Prunksäle etwa gibt es einen neuen Durchbruch, der mehrere Räume verbindet. Dort sollen künftig Forscher an den Beständen der Bibliothek arbeiten können.

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2026 und 2027 werden speziell herausfordernde Jahre der Renovierung, sagt Fuchs. „Vorderste Priorität hat, den barocken Originalzustand der Prunkräume zu erhalten.“

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