Sogar wenn sie jetzt im KURIER-Interview über den Song spricht, wird sie noch emotional: „In der Früh alleine Kaffee zu trinken, war für mich das Schlimmste, nachdem er weg war. Denn das war ein Ritual, das wir gemeinsam hatten, das mit der Trennung weggefallen ist.“
Viele der Songs dieses Solo-Debüts handeln von der Trennung. Sie sind meist zarte Balladen mit wunderbaren Melodien, die oft nur von Lindingers Gesang, ihrem Gitarrespiel und der puren, unter die Haut gehenden Emotion getragen werden. Sie singt, dass sie die Neue an der Seite des Ex-Partners nicht kennenlernen will, oder macht sich Gedanken, was wahre Liebe ist. Und in „15 Years“ bedauert sie, dass sie sehr früh – vielleicht zu früh – mit ihm zusammengekommen ist.
„Ich kenne ihn, seit ich zwölf Jahre alt war. In diesem Alter hat man noch keine Lebenserfahrung, hat noch nicht einmal angefangen, Kindheitstraumata zu verarbeiten“, erklärt sie. „Die nimmt man mit in die Beziehung. Der Song ist die Trauer darüber, dass wir uns nicht später kennengelernt haben, wenn man da schon etwas weiter ist. Dann wäre die Beziehung sicher anders gelaufen.“
Es geht in den Songs von „Sophie Lindinger“ aber nicht nur um das Ende der Beziehung, sondern auch um die Depressionen, die Lindinger in den letzten Jahren durchmachen musste. In dem Song „Happy Pills“ spielt sie auf die Psychopharmaka an, die sie nehmen musste, um aus dem Tief rauszukommen.
Ausgelöst wurden die Depressionen aber nicht alleine von der Trennung. Eine große Rolle spielte dabei auch der Alltagssexismus, dem Lindinger als erfolgreiche Frau im Musikbusiness, die nicht nur Musikerin, sondern auch eine der ganz wenigen Produzentinnen ist, ausgesetzt war.
„Als Musikerin und speziell als Produzentin musst du dich immer drei- und viermal mehr beweisen als Männer, denn das technische Know-how wird dir einfach nicht zugetraut. Ich habe mir das am Anfang auch selbst nicht zugetraut. Ich dachte, ich kann mich selbst produzieren, aber um andere zu produzieren, bin ich nicht gut genug. All das liegt daran, dass Männer schon ganz anders aufwachsen. Ihnen wird von der Gesellschaft von Anfang an Selbstbewusstsein eingetrichtert, während Frauen diskriminiert werden. Das beginnt schon in der Schule mit diesen klassischen, so blöden ,Die Frau gehört in die Küche‘-Witzen. Oder damit, dass Buben automatisch zum Technischen Handwerken und die Mädchen zum Handarbeiten eingeteilt werden, wenn man nicht explizit sagt, dass man in die andere Gruppe will. Es ist absurd, wie man erzogen wird, aber das merkt man in diesem Alter noch gar nicht. Da hält man das für normal. Das merkt man erst, wenn man später beginnt, darüber nachzudenken.“
Einen offenen Umgang mit dem Thema „Mentale Gesundheit“ pflegt Lindinger auch, um die diesbezüglich immer noch herrschende Tabuisierung aufzubrechen: „Immer noch hat man das Stigma, verrückt zu sein, wenn man deshalb Medikamente nehmen muss. Deshalb habe ich selbst lange nicht darüber gesprochen. Auch weil man sich damit eingesteht, dass man sich selbst nicht mehr helfen kann. Aber als ich dann doch kommuniziert habe, wie es mir geht, haben so viele Leute gesagt, dass es ihnen auch so geht und dass es ihnen guttut, zu wissen, dass sie damit nicht alleine sind.“
Was muss in Lindingers Augen passieren, um die Stigmatisierung abzubauen? „Mentale Krankheiten müssen wie ein gebrochener Fuß oder die Grippe gesehen werden. Es muss akzeptiert werden, dass man dann nicht arbeiten kann, dass der Chef dann eben nicht sagt: ,Aber diese Kleinigkeit kannst du schon noch machen!’“
SOPHIE LINDINGER LIVE:
15. 3. Linz/Posthof
16. 3. Graz/Orpheum
5. 4. Wien/Rote Bar im Volkstheater
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