So sind der "Barbier" und "Nabucco" in Erl

Mit Gioacchino Rossinis "Der Barbier von Sevilla" starteten die Tiroler Festspiele in Erl."Una voce poco fa": Schon mit ihrer ersten Kavatine vermag sie im Festspielhaus mit ihren perfekten Koloraturen zu begeistern. Und obwohl Aurora Faggioli erst 23 Jahre alt ist, singt sie die Rosina mit ihrem dunkel gefärbten Mezzo bereits mit erstaunlicher Reife.
Etwas muss man Gustav Kuhn lassen, bei der Auswahl der Sänger für die Tiroler Festspiele hat er immer ein gutes Händchen und bietet meist gehobenes Niveau. So auch jetzt bei Gioacchino Rossinis "Il barbiere di Siviglia", der Eröffnungspremiere der diesjährigen, bereits vierten Winterfestspiele in Erl.
Außergewöhnlich gut ist auch der ebenso koloraturen- wie höhensichere Francisco Brito als Almaviva. Sergio Vitale ist auch vom Typ her ein idealer Figaro: Durchaus mit dem nötigen Augenzwinkern, stimmlich in Topform, auch bei seiner berühmten Auftrittsarie.
Oliviero Giorgiutti gibt einen humorvollen Bartolo. Mit markantem, kräftigen Bass vernimmt man Giovanni Battista Parodi als Basilio. Auch der nur zwölf-köpfige Chor der Tiroler Festspiele Erl singt außergewöhnlich gut.
Akademisch
Gar etwas zu akademisch hingegen erlebt man das Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter Andreas Leisner. Der Vizeintendant und Regisseur der Festspiele gibt immerhin sein Debüt als Operndirigent und ist deshalb naturgemäß in erster Linie auf Sicherheit bedacht. Diese ist zwar beinahe bis zur Perfektion vorhanden, aber ein Mehr an Leichtigkeit und Raffinement wäre wünschenswert gewesen.
Das Orchester spielt übrigens wieder auf der Bühne, wie früher als man noch mangels Festspielhaus und Graben im Passionsspielhaus die Opern derartig aufführen musste. Es wird umrahmt von weißen Treppen, einem Podium dahinter und dem gedeckten Graben davor mit einem weißen Steg zum Publikum und dazwischen allerlei weißer, meist zum Sitzen genützter Klötze (Bühne: Peter Schmidt und Alexander Paget).
Wie auf einer Showbühne werden die Arien von den Protagonisten in sehr ästhetischen Abendroben und Glitzergewändern (Kostüme: Lena Radecky) auf diesem Laufsteg, unter dem auch immer wieder allerlei Requisiten hervorgeholt werden, mit diversen Gegenständen, stark an Mikrofone erinnernd, gesungen. Aber obwohl die Szenerie mit sechs Tänzerinnen und Tänzern, die übrigens hinreißend tanzen (Choreografie: Katharina Glas), aufgemotzt wird, fehlt es dieser Neuinszenierung, an der Hausherr Gustav Kuhn als Regisseur höchstpersönlich Hand angelegt hat, trotzdem an Esprit, an Fantasie und vor allem an Humor.
Das Publikum jubelte ohne jeglichen Widerspruch!
Von Ingeborg Muchitsch
Sie ist schon beeindruckend, diese goldene Rampe, die leicht ansteigend den Bühnenrand umrundet und ganz oben uneingesehen, quasi im Himmel endet.
Beeindruckend bei der Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis "Nabucco" aus dem Jahre 2012 bei den Tiroler Festspielen Erl sind auch die ungemein geschmackvollen Tableaus des Chores, der symmetrisch über die ansteigenden Podeste der Einheitsbühne (Jan Hax Halama) verteilt ist, und bei gewissen musikalischen Impulsen die Position verändert.
Pure Statik
Über den Choristen, die in orangebraunen Gewändern die Hebräer darstellen, als Babylonier sind sie zur leichteren Unterscheidung aber in Blau gewandet (Kostüme: Lenka Radecky), schweben gefährlich goldene Lanzen, die sich beim seltsamerweise ohne Gefolge erscheinenden Nabucco noch bedrohlicher senken.
Aber Andreas Leisner, im Gegensatz zum Vortag, wo er dirigierte, nun wieder als Regisseur tätig, zeigt außer dieser ästhetischen Statik wenig Vitalität und vernachlässigt ziemlich die Personenführung. So wirken auch die Schlüsselszenen leider kaum, weil sie nicht entsprechend inszeniert sind.
Pure Vitalität
Vitalität erlebt man hingegen im Graben. Hier steht jetzt wieder Gustav Kuhn und hat das Orchester der Tiroler Festspiele Erl fest im Griff. Es gelingt ihm, viel an differenzierter Dynamik und packendem Hochdruck, der nur manchmal zu knallig wird, bei den Musikern auszureizen.
Beeindruckend sind auch die Sänger: Giulio Boschetti ist ein sehr männlicher, prägnanter und dominanter Titelheld, der auch glaubhaft die geistigen Verwirrungen des Königs, mit einem Stofftier unterm Arm, über die Rampe bringt. Sophie Gordeladze ist eine intensive Abigail, die die ungemein schwere Partie mit Durchsetzungsvermögen grandios bewältigt. Ihre manchmalige Schärfe ist zu vernachlässigen.
Klangschön
George Vincent Humphrey ist ein etwas farbloser, vibratoreicher Ismaele, Franz Hawlata ein edeltimbrierter Hohenpriester Zaccaria, der sich in der Höhe manchmal etwas schwertut. Svetlana Kotina singt die Fenena gefühlvoll. Ausbalanciert, klangschön und kräftig singt die Chorakademie der Festspiele.Wieder großer Jubel im Publikum! Für die Reprise am 2. Jänner 2016 gibt es noch einige Karten.
Von
Ingeborg Muchitsch
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