Das Burgtheater abreißen!
Es wär nicht Wien und schon gar nicht das Burgtheater, käme man so ganz ohne Skandale aus. Matthias Hartmann ist nicht der erste Direktor, dem vom Ensemble das Misstrauen ausgesprochen wurde. Den Direktoren Haeusserman und Peymann erging’s nicht anders, und der Dichter Anton Wildgans, der sogar zwei Mal Direktor war, musste die Gagen der Schauspieler kürzen, um das Burgtheater vor dem Zusperren zu retten. Der erste und zugleich größte Skandal ereignete sich freilich gleich zur Eröffnung der heutigen "Burg". Damals verlangten Teile das Ensembles nicht mehr und nicht weniger als das Burgtheater abzureißen.
Geschockte Mimen
Als das jetzige Burgtheater 1888 eröffnet wurde, waren die Schauspieler schockiert, weil Akustik und Sicht so schlecht waren, dass man ihren Vortrag in den Rängen weder hören noch sehen konnte. Außerdem ging der intime Stil, der das bisherige Burgtheater am Michaelerplatz geprägt hatte, verloren.
Teils durch die Dimensionen des Hauses, teils durch zu lautes Sprechen der Schauspieler, die glauben, den großen Raum stimmlich füllen zu müssen. Alle Collegen tief traurig."
Der Volksmund spottete: "Im Parlament hört man nichts, im Rathaus sieht man nichts und im Burgtheater hört und sieht man nichts!" Vor allem alterierte man sich, dass die "prunkhafte Gruft" 21 Millionen Gulden (= heute 130 Millionen Euro) gekostet hat.
Hilfe vom Kaiser
Als letzte Rettung sahen die Schauspieler eine Intervention beim Kaiser, an den sie dank seiner Beziehung zur Hofschauspielerin Katharina Schratt gelangten. Die Schratt lud Kaiser und Hugo Thimig zu einer Unterredung bei Kaffee und Gugelhupf in ihr Haus. "Majestät", begann Thimig, "das Theater ist unbrauchbar. Es ist zu hoch, zu groß". Nur eine niedrigere Saalhöhe oder ein neues Haus könnte das Burgtheater retten. Mit anderen Worten: Abreißen!
Kaiser Franz Joseph, der selbst mit dem neuen Burgtheater höchst unzufrieden war, erwiderte: "Ein neues Haus kann man nicht bauen, wo das jetzige so teuer war." Das Gespräch brachte dennoch Erfolg: 1897, neun Jahre nach seiner Eröffnung, wurde das Burgtheater vollständig umgebaut, die Mängel wurden behoben. Die "Burg" galt wieder als führende Bühne. Und Hugo Thimig wurde 1912 deren Direktor.
Infolge des Zusammenbruchs der Monarchie und der finanziellen Probleme in der Ersten Republik schlitterte das Burgtheater von einer Krise in die andere. Der Dichter Anton Wildgans war zwei Mal (1921/1922 und 1930/1931) Burgtheaterdirektor. Doch statt zu sparen, eröffnete er 1922 das Akademietheater als zweite Bühne mit einer Festvorstellung – vor fast leerem Haus, weil das Publikum durch einen Druckerstreik nicht von dem Ereignis verständigt werden konnte.
Ein Kino statt der "Burg"
Im Jahr 1931 wurde im Parlament ernsthaft darüber diskutiert, das Burgtheater in ein Kino umzubauen. Um das zu verhindern, kürzte Direktor Wildgans die Gagen der Schauspieler – natürlich unter deren lautstarkem Protest. Wildgans bewahrte dabei seinen Humor: "Ich bin die einzige Wildgans", sagte er, "für die es keine Schonzeit gibt". Dann trat er zurück.
Teure Gäste
Der Rechnungshof bestätigte die Kritik: Der Direktor gab großzügige Empfänge, wie einen Heurigen-Abend um 20.862,70 Schilling; Auslandsreisen kosteten sechs bis sieben Mal mehr als geplant und Haeussermans Chauffeur, der oft bis nach Mitternacht vor dem Stammlokal seines Direktors zu warten hatte, machte 1962 Überstunden für 33.572,25 Schilling.
Alles in allem bezog das Burgtheater damals jährlich 26 statt der budgetierten 23 Millionen Schilling. Die Direktion hätte gewirtschaftet, "als stünden unerschöpfliche Mittel zur Verfügung".
Zu guter letzt warf das Ensemble dem Direktor vor, nur selten im Haus zu sein. Haeusserman erklärte dies damit, dass er neben seiner Tätigkeit als Direktor an der Universität Wien Theaterwissenschaften inskribiert hätte, wodurch ihm "für die Leitung des Burgtheaters wenig Zeit" bliebe. Quasi als Trost führte er an, das Studium im kommenden Jahr beenden zu wollen.
Der Direktor bleibt
Der Eklat endete wie Eklats in Österreich enden: Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic stellte sich hinter den Direktor, und alles blieb beim alten.
Freilich fand auch der "Krieg" des Ensembles gegen seinen meistgehassten Direktor ein sehr österreichisches Ende: Peymann wurde 2012 zum Ehrenmitglied des Burgtheaters ernannt, wodurch ihm – wie den Lieblingen des Burgtheaters – das Privileg zusteht, nach seinem Tod im Sarg feierlich um das Haus am Ring getragen zu werden.
Das alte
Burgtheater
1748 eröffnet und 1776 von Kaiser Josef II. zum "Teutschen Nationaltheater" erhoben. Damals am Michaelerplatz gelegen, verfügte das Haus über einen Zugang zu den Gemächern des Kaisers, der somit direkt von der Hofburg in seine Loge gelangen konnte. Erste Erfolge als Musikbühne mit Mozart-Opern.
Das neue Haus am Ring
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand die "Burg" in einer Mischung aus klassischem Drama, Konversationsstücken und Boulevard große Anerkennung. Mit dem Bau der Ringstraße bekam das Burgtheater im Oktober 1888 eine neue, wesentlich größere Heimstätte, die zunächst auf massive Kritik stieß. So wurde den Architekten Gottfried Semper und Karl von Hasenauer vorgeworfen, dass man die Schauspieler von Teilen des Zuschauerraums weder sehen noch hören konnte. Kaiser Franz Joseph verfügte einen Totalumbau.
Die Zerstörung
Durch einen Bombenangriff 1945 fast völlig zerstört, fand das Burgtheater im Ronacher seine Heimstätte. 1955 wieder eröffnet, gilt die "Burg" als bedeutendste Bühne im deutschen Sprachraum.
Die Lieblinge
Zu den Stars zählten Schauspieler wie Ewald Balser, Werner Krauß, Ernst Deutsch, Paula Wessely, Attila Hörbiger, Annemarie Düringer und Josef Meinrad.
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