Seiler und Speer in Wien: Meilenstein für das Duo und die Szene

KONZERT: SEILER & SPEER
Die Wiener sind die erste österreichische Band, die das Ernst-Happel-Stadion ausverkauft hat. Mit Hits wie "Hödn" eroberten sie 50.000 Fans im Sturm

„Geht ned, gibts ned“, dachten sich Seiler und Speer laut Presseaussendung, als sie vor vielen Monaten für ihr Wien-Konzert 2025 das Ernst-Happel-Stadion buchten. Schließlich soll mit der „A Schware Partie“-Show das zehnjährige Bestehen des Duos gefeiert werden.

Beim Interview mit dem KURIER vor zwei Monaten klang Christopher Seiler aber gar nicht so siegessicher. „Das ist schon etwas, wo man sagt: ,Bist du deppert, wenn das nicht aufgeht, fallen wir auf die Schnauze!` Das ist schon ein Meilenstein in unserer Karriere - weil wo wilst du dann noch größer spielen?“

Es ist aber auch ein Meilenstein für die österreichische Musikszene. Seiler und Speer sind die erste heimische Band, die dieses Stadion ausverkauft hat. Wanda könnten es schaffen, spielen aber lieber in der Stadthalle. Und Bilderbuch inszenierten ihre beiden Großkonzerte 2019 vor dem Schloss Schönbrunn.

KONZERT: WOLFGANG AMBROS & DIE NO. 1 VOM WIENERWALD

Dem entsprechend herrscht Samstag im Ernst-Happel-Stadion bei bestem Open-Air-Wetter eine Feierstimmung, die mühelos an die bei Robbie Williams vor einer Woche herankommt. Schon um 17.00 Uhr sind Ränge und Rasen gerammelt voll. Seiler und Speer kommen zwar erst um 20.30, aber sie haben zum Jubiläum Gäste eingeladen. Nach Opus und Thomas Stipsits steht jetzt Wolfgang Ambros mit seiner Band „Die Nr. 1 vom Wienerwald“ am Programm. Den will jeder sehen. 

Und der Austro-Pop-Pionier spielt auch alles, was sich alle wünschen - von „A Mensch mecht i bleib’n“ und „Gezeichnet für‘s Leben“ bis zu „Da Hofa“ und „Es lebe der Zentralfriedhof“. Dass dem 73-Jährigen, der seit Jahren mit schweren Wirbelsäulenproblemen kämpft, beim Singen nicht alles perfekt gelingt, ist dabei völlig egal. Diese Klassiker, die die Wiener Mentalität so pointiert porträtieren, dass sie einem genauso die Tränen in die Augen treiben („De Kinettn wo i schlof“) wie die pure Lebenslust spüren lassen („Schifoan“) sind ja schon fast Teil der österreichischen DNA. Man liebt es, sie wiederzuhören, und „Wolferl“ dafür, dass er sie geschaffen hat und immer noch live auf die Bühne bringt. Seiler und Speer haben oft betont, wie groß sein Einfluss auf ihre Karriere war.

KONZERT: OTTO & DIE FRIESENJUNGS

Doch bevor die kommen, rockt Otto mit seinen Friesenjungs. Auch wenn er von Herkunft und Songmaterial nicht in diese Massenfeier der heimischen Szene (und speziell des Wiener Pop-Kulturguts) passt, treibt er die Stimmung schnell weiter in die Höhe. Mit in Otto-Manier eingedeutschten oder bearbeitetet Texten singt er alles von „We Are The Champions“ über „Aber bitte mit Sahne“ bis „Englishman in New York“. 

Pünktlich um 20.30 starten die Stars des Abends mit „Herr Inspektor“. Auch sie porträtieren die Wiener Mentalität – mit mehr Ironie und Wortwitz als Wolfgang Ambros, aber genauso pointiert. Dank der Band, die nach über 100 gemeinsamen Auftritten perfekt eingespielt ist, schieben Seiler und Speer in dieser Phase einen druckvollen Rock-Sound ins Stadion und lassen die Wiener mit „I wü ned“ und „Principessa“ richtig auf Touren kommen.

KONZERT: SEILER & SPEER

„I schwörs euch, ihr seids unsere Familie“, sagt Seiler dann voll Ehrfurcht vor dem Meer der 50.000 seine Songs singenden, Handy-Lichter schwingenden, ausgelassen fröhlichen Menschen. „Speerli“, wie Seiler seinen Freund immer wieder nennt, fügt hinzu: „Danke, dass wir das erleben dürfen.“

Ernst Molden, für Seiler „der größte österreichische Songwriter unserer Zeit“, kommt für „Grabstein“ auf die Bühne. Es folgen ruhigere, akustisch angelegte Songs wie und „Setz di her“, die das Duo vorne auf einem ins Publikum ragenden Steg singt. Viel klarer als bisher ist dabei zu hören, wie gut aufeinander eingestellt und sicher Seiler und Speer in ihrem zweistimmigen Gesang sind. Vielleicht fällt die Stimmung dann im Mittelteil ein wenig ab. Aber spätestens als Dirigent Christian Kolonovits und sein Orchester für „Weck mi auf“ dazukommen, ist sie wieder auf Robbie-Williams-Niveau.

KONZERT: SEILER & SPEER

„Hödn“, den Titelsong ihres jüngsten Albums, widmen die beiden Sandra und Miriam, jungen Fans, die sie kennenlernen durften, die mittlerweile verstorben sind. Nicht nur, aber sicher auch deshalb legt der hymnische Refrain dieses Hits eine Magie über das Stadion, die nicht mehr abflaut, bis Seiler und Speer ihre größten Erfolge „Ham kummst“ (mit Otto, der den Text ins Hochdeutsche übersetzt) und „Soits leben“ zelebrieren und sichtlich gerührt den Meilenstein-Moment genießen. Sie haben damit österreichische Musikgeschichte geschrieben.

 

 

 

 

 

 

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