Natürlich war Science Fiction immer schon eine Projektion der Gegenwart in die Zukunft. Zu einem großen Teil war und ist sie aber vom Geist der Expansion, Verdrängung und Ausbeutung getragen: Nachdem nordamerikanische Siedler die indigene Bevölkerung ausgerottet oder umgesiedelt hatten, musste das Raumschiff Enterprise dorthin gehen, wo „nie ein Mensch zuvor gewesen ist“. Die Idee der Erschließung neuer Welten Rohstoffe trägt bis heute nicht nur die Space-Unternehmungen von Elon Musk &Co, sondern auch die Erkundungen der Konzerne im digitalen Raum, die darauf abzielen, Daten zu „extrahieren“ und wie Bodenschätze zu Geld zu machen.
Die Weltmuseums-Schau setzt diesem Denkmodell Erzählungen entgegen, die bewusst „von unten“ kommen. Sie stammen oft, aber nicht ausschließlich aus der Perspektive indigener Menschen.
Mit dem Gemälde eines „zivilisierten“ Ewoks – das bärenartige Waldwesen aus „Star Wars“ erscheint darin streng gekämmt in der Uniform des Imperiums – spricht der Navajo-Künstler Ryan Singer etwa auf die zwanghafte Umerziehung Indigener in den USA an: Von 1860 bis 1978 trieb diesen Menschen dort das „American Indian Boarding School System“ systematisch die eigene Sprache und Kultur aus. Die Aneignung von Star-Wars-Charakteren – bemalte und mit Federn geschmückte Uniformen und Helme empfangen am Entree der Schau – ist nur eine Möglichkeit, die eigene Stimme hörbar zu machen.
Der Entwurf alternativer Sci-Fi-Welten hat bereits eine reiche Geschichte. Insbesondere der „Afrofuturismus“ ist, etwa durch den Superheldenfilm „Black Panther“, im Mainstream angekommen. Im US-Nationalmuseum für afroamerikanische Geschichte in Washington ist bis März 2024 eine Ausstellung nur über die Bewegung zu sehen.
Das Weltmuseum streift sie nur (in Form einer Sci-Fi-Stadt aus schwarzen Legosteinen) und leistet dafür Basis-Arbeit: Von der Installation einer Zapatisten-Gruppe aus Mexiko bis zu Halil Altinerdes (fiktionalem) Projekt einer syrischen Weltraummission, die die Flüchtlingsproblematik in den Weltraum verpflanzt, sind verschiedene Ansätze mit einfachen – und teilweise auch für Kinder angepassten – Erklärungen einfach auf den Punkt gebracht.
Relativ neu im Reigen der Space-Bewegungen ist der „Muslim Futurism“, dem der gebürtige Pakistani Saks Afridi zuzurechnen ist. Er bespielt den Theseustempel im Volksgarten als Außenstelle des Weltmuseums bis 8. 10. mit seiner „Space Mosque“ (Weltraummoschee).
Rund um das zentrale, im Raum aufgehängte Objekt – halb Minarett, halb Rakete – hat Afridi eine Geschichte erfunden: Das Ding soll ein Raumschiff sein, das Anfang der 2000er-Jahre erschien und die Fähigkeit besaß, jedem einen Wunsch zu erfüllen. Mit Fake-Zeitungsausschnitten und Pseudo-Relikten – formal im islamischen Kulturkreis verwurzelt – erzählt Afridi dann, dass die Wunschmaschine die Welt durcheinandergebracht habe, dass es gar „Gebetsfarmen“ gegeben habe, in denen Kinder im Auftrag von Unternehmen beten mussten: „Es begann als Utopie, aber dann kam die menschliche Natur und machte ihr Ding“, kommentiert Afridi im Gespräch.
Sowohl Afridis Werk wie auch der eingangs zitierte Film von Superflux nehmen allerdings die Perspektive eines „Danach“ ein: Sie blicken aus der imaginierten Zukunft zurück auf eine Zeit, in der die Welt ins Dystopische kippte, dann dank des Engagements der Menschheit aber zu etwas Besserem wurde.
Dass wir dieses Danach erleben mögen, wäre schon einmal ein Anliegen, das man an die Wunschrakete richten könnte. Wenn sie denn noch einmal wiederkommt.
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