Verhext und verzaubert

Eine Ballerina in einem schwarzen und roten Tutu tanzt, während ein Tänzer am Boden liegt.
Tschaikowskys "Schwanensee" in der Nurejew-Fassung an der Wiener Staatsoper.

Die Premiere von Manuel LegrisEinstudierung von Rudolf Nurejews legendärer Wiener Fassung (1964) des Ballettklassikers "Schwanensee" stand unter keinem guten Stern.

Wenn eine Tänzerin vom Format Olga Esinas im dritten Akt im "Schwarzen Schwan"-Pas de deux die vorgeschriebenen 32 Fouettés, die berühmtesten Drehungen einer Ballerina im gesamten Ballettrepertoire, abbrechen muss, ist das ein Alarmzeichen.

Verletzte Ballerina

Und tatsächlich: vor Beginn des vierten Akts trat Staatsoperndirektor Dominique Meyer vor den Vorhang und kündigte an, dass Esina die Vorstellung zwar zu Ende tanzen wird, aber durch eine akute Verletzung behindert ist. Sie klagte über starke Schmerzen im linken Wadenmuskel. Dass sie überhaupt weitertanzte, ist ein Zeichen ihrer riesigen Disziplin.

Aufgrund dieser Verletzung fällt Esina auch bis auf Weiteres aus. Liudmila Konovalova, ebenfalls Erste Solotänzerin des Wiener Staatsballetts, wird an ihrer Stelle die Rolle der Odette/Odile am Dienstag und Donnerstag (18., 20. März) tanzen, wie es in einer Aussendung vom Montag hieß.

Zuvor hat sie sich als elegante, stilistisch klare Odette mit wunderbaren Arm- und Handbewegungen erwiesen. Kein Wunder, dass Prinz Siegfried auf der Jagd schnell in ihren Bann gezogen wird.

Große Klasse auch, wie sie und Vladimir Shishov als Siegfried die Pantomime im zweiten Akt vermitteln, in der Odette dem Prinzen von ihrem Schicksal der Verzauberung durch Rotbart erzählt. Wie aus einem Guss wirkt hier das harmonische Bühnenpaar, beide sind ja geprägt von der St. Petersburger Ballettschule.

Vladimir Shishov ist eine der positiven Überraschungen der Aufführung (in einer neuen Ausstattung Luisa Spinatellis). Der groß gewachsene Tänzer wirkt durch seine Statur nicht immer so leicht, wie man es von einem klassischen Ballettprinzen erwartet.

Doch er hat sichtlich hart an dieser Rolle gearbeitet. Nach einigen Unsicherheiten zu Beginn war er schon im Adagio am Ende des ersten Akts in guter Form. Seine Qualität als sicherer Partner half Esina schließlich erheblich über die Anforderungen des dramatischen Finales hinweg.

In diesem erwies sich das praktikable, auf den Tanz fokusierte Bühnenbild Spinatellis (mit einem Blick auf und in König Ludwigs II Schloss Neuschwanstein im ersten und dritten Akt und einem schlichten See im zweiten und vierten Akt) plötzlich als ungewollter Stimmungskiller. Vielleicht lag es am zu schwachen Zusammenspiel von Bühnennebel und dem manuellen Bewegen eines Tuchs, das einen über die Ufer tretenden See symbolisierte.

Die Wellen fielen zu sanft aus und die von Nurejew einst so wirkungsvoll inszenierte Dramatik war an dieser Schlüsselstelle weitgehend verloren.

Mehr Feuer

Viele Einlagen wie der Pas de cinq im ersten Akt und vor allem die "Schwäne" sind hingegen bestens einstudiert, tanzen präzise, synchron und homogen. Die Nationaltänze im dritten Akt könnten mehr tänzerisches Feuer und Ausdruck vertragen. Eno Peci vermittelt den Zauberer Rotbart als schwarze Märchenfigur und profitiert von einem schönen Kostüm Spinatellis, das ihn als Raubvogel zeigt.

Die übrigen Kostüme sind nobel und abgesehen von den traditionell weißen Schwänen meist in dezenten Pastellfarben gehalten.

Die höfische Gesellschaft Siegfrieds scheint einem florentinischen Adelspalast à la Medici entsprungen zu sein.

Die Weichen für einen neuerlichen Erfolg des Wiener Staatsballetts sind gestellt. Am Pult des Staatsopernorchesters stand Alexander Ingram.

Trotz Verletzung stark

Werk

Manuel Legris gelingt eine weitgehend überzeugende Einstudierung des Klassikers "Schwanensee" in Nurejews Wiener Fassung von 1964.

Tanz

Das Wiener Staatsballett besticht durch Eleganz, Präzision, der Ausdruck kommt etwas zu kurz. Olga Esina ist eine hervorragende Odette/Odile, deren Leistung durch eine während der Vorstellung erlittene Verletzung kaum gelitten hat. Vladimir Shishov erweist sich als Prinz Siegfried als starker Partner.

KURIER-Wertung:

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