Sarah Kuttner: Diskussion um Rassismus

Ein Auftritt der deutschen Moderatorin und Bestseller-Autorin
Sarah Kuttner endete vergangenen Freitagabend in Hamburg mit einer Anzeige. Kuttner hatte bei einer Lesung ihres Buches "Wachstumsschmerz" (erschienen im vergangenen November) ein Kapitel vorgelesen, in dem immer wieder von einer "Negerpuppe" die Rede ist, deren "aufgenähte Wurstlippen" sie als Kind furchterregend fand. Benjamin B,, ein Hamburger mit äthiopischen Wurzeln, fühlte sich beleidigt und erstattete Anzeige. "Sie zog über diese `Negerpuppe` her, ließ sich über deren 30 Zentimeter große `Schlauchbootlippen` aus und wiederholte, wie ekelhaft sie diese Lippen fand." wurde B. von der Hamburger Morgenpost zitiert. "Das war einfach nur rassistisch," fügte er an.
Der 37-Jährige hatte Kuttner auf ihre Aussagen laut dem Bericht der Hamburger Morgenpost vom Montag noch vor Ort angesprochen, doch Kuttner soll ihn mit "Ich muss gar nicht reden, ich rauche gerade" abgewiesen haben. Zu ihrem Management soll sie gesagt haben: "Gib ihm das Eintrittsgeld wieder, damit er verschwindet."
Kuttner hält dem laut Spiegel.de entgegen, mit dem Verärgerten sehr wohl gesprochen zu haben und diesem erklärt zu haben, dass ihre Aussagen keineswegs rassistisch gewesen seien. Ihre Version des Zitats: "Wenn Du die Lesung so furchtbar fandest, gebe ich dir gern persönlich das Eintrittsgeld zurück." Zeugen des Gesprächs seien lediglich Kuttners Tourbegleiterin und eine Freundin gewesen.
Ein Skandal, der gar keiner ist?

Egal, wie sich die Ereignisse am Freitag tatsächlich abgespielt haben - seit Montag zieht die Angelegenheit als Skandal ihre Runden in deutschen Medien. Vor allem, seit Moderator Mola Adebisi gegenüber der Hamburger Morgenpost über seine Ex-Kollegin bei Viva Negatives berichtete. Konfrontiert mit der "Negerpuppen"-Lesung, meint er: "Sarah ist eine Rassistin. Das habe ich selbst zu spüren bekommen." Und Adebisi holt noch weiter gegen Kuttner aus: "Sie wird sich nicht äußern, weil sie die Situation nicht reflektieren kann. Ihr fehlt die emotionale Intelligenz, sie ist minderbemittelt. Sarah Kuttner ist in der Entwicklung stehen geblieben. Ich würde mich freuen, wenn Sie mal Juden-Witze machen würde, dann wäre ihre Karriere nämlich beendet! Aber Türken und Afro-Deutsche leisten nicht den Widerstand. Juden lassen sich keine Beleidigung gefallen."
Die Moderatorin äußerte sich bisher zwar nicht zu den Vorwürfen Adebisis, widersprach aber der Darstellung von Benhamin B. nach ihrer Lesung. Kuttner zu Spiegel.de: "Ich habe mich nicht vergaloppiert, mich nicht verplappert. Meine Worte waren nicht einmal missverständlich." Sie habe, wie in der Passage im Buch beschrieben, erzählt, dass die Lippen der Puppe furchtbar und unnatürlich riesig gewesen seien, "mit dem ganz klaren und für alle Anwesenden eindeutigen Verweis darauf, wie unrealistisch und rassistisch diese Puppe sei. Ich sagte, dass so eine Puppe heutzutage zu Recht gar nicht mehr hergestellt werden würde", so Kuttner.
Kuttner thematisierte selbst Rassismus
Bei Spiegel.de kommt noch ein prominenter Zeuge der Hamburger Lesung zu Wort. Frank Spilker, Sänger der Band Die Sterne, verteidigt Kuttner folgendermaßen: "Sie erzählte, dass sie die Puppe als stereotyp wahrgenommen hat und sich wunderte, warum ihre aufgeklärten Eltern ihr in den Achtzigern eine solche Puppe geschenkt haben." Weiters erklärte Spilker: "Sie hat den Altagsrassismus thematisiert, der ihr jetzt vorgeworfen wird."
Hier die Originalpassage aus dem Buch:
"Nichts zu sagen ist allerdings gegen meine Negerpuppe. Ein riesiges Stoffungetüm, ganze achtzig Zentimeter purer, unschuldiger Rassismus mit einem obszön großen Kopf, der so schwer ist, dass er der Puppe immer wieder auf die schmalen Schultern fällt und ihr so permanent einen ergreifend niedergeschlagenen Eindruck verleiht. Als wäre das nicht schon entsetzlich genug, wird das Ganze noch von einem furchterregenden Paar praller, aufgenähter Wurstlippen getoppt. Vollkommen undenkbar, dass so etwas heute noch verkauft würde (...)."
Kuttner beklagt auf Facebook Shitstorm
Auf ihrer Facebook-Seite beklagt sich Kuttner darüber, dass die Rassismusvorwürfe im Internet in einen regelrechten Shitstorm ausgeartet wären: "Ich bin zutiefst erschrocken darüber, wie viele Menschen sich in den letzten Tagen eine handfeste Meinung über mich, basierend auf einer einseitigen Berichterstattung der Boulevardpresse, gebildet haben". Kuttner weiters: "Wer sich nur auf Basis dieser Lektüre eine fertige Meinung gebildet und umgehend zum Shitstorm geblasen hat, wird hiermit aufgefordert den `Gefällt mir nicht mehr`-Button dieser Seite zu drücken: mit Menschen wie Euch will ich nicht `befreundet` sein. Für diejenigen, die an Differenzierung interessiert sind: hier was wirklich passiert ist.
Ich bin kein Rassist. Ich habe mich auf keiner meiner Lesungen rassistisch geäußert, ganz im Gegenteil: ich habe mich über ein rassistisches Spielzeug echauffiert."
-
Hintergrund
-
Hauptartikel
Kommentare