Salzburger Festspiele: Märchen für Erwachsene mit Baselitz-Marionetten

Was wie ein nostalgisches Marionettenspiel anmutete, entpuppte sich am Dienstagabend im Salzburger Marionettentheater als ein außergewöhnliches Gesamtkunstwerk: Igor Strawinskys "Geschichte vom Soldaten" wurde mit abstrakten Figuren von Georg Baselitz und Dominique Horwitz als Erzähler in Bestform zu einem ebenso klugen wie begeisternden Abend bei den Salzburger Festspielen.

Das Werk aus dem Jahr 1918, im Schweizer Exil entstanden, war nie als Oper gedacht. Strawinsky und der Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz entwickelten es als minimal ausgestattetes Wandertheater – gedacht für Jahrmärkte, kleine Bühnen und ein mobiles Ensemble, das mit Sprache, Musik und Bewegung eine ganze Welt entwirft. Georg Baselitz verzichtete bei seinen Figurentwürfen auf Gesichter, Kostüme und klassische Marionettenästhetik. Stattdessen formte er Körper aus Pappröhren, Draht und Blech sowie abstrakte, farbcodierte Köpfe: der Soldat in Braun, der Teufel in Rot.
Der Soldat naiv und offen, der Teufel zischelnd und verführerisch
Was zunächst wie ein spielerischer Verfremdungseffekt wirkte, entwickelte rasch eine eigene Logik. Die auf das Wesentliche reduzierten Körper ließen in ihrer Bewegung, Haltung und Positionierung alles Menschliche sichtbar werden, ohne es auszustellen. Möglich wurde das durch die präzise szenische Einrichtung von Matthias Bundschuh und durch das Spiel der Puppenspieler und des Musikerensembles um Isabelle Faust. Dominique Horwitz, als Sprecher mitten im Ensemble platziert, verlieh dem Stück seine stimmliche Seele. Er gestaltete jede Figur mit einer eigenen Farbe: der Soldat naiv und offen, der Teufel zischelnd und verführerisch, der Erzähler ruhig und kontrolliert. Dabei übertrieb Horwitz nicht, sondern hielt den Ton stets in Balance zwischen Märchen, Parabel und feiner Ironie. Einzelne Zwischenlacher im Publikum zeigten, wie genau er diese Tonlage traf.

Musikalisch wurde Strawinskys partiturgewordene Collage mit höchster Präzision und Ausdruckskraft umgesetzt. Isabelle Faust ließ ihre Violine marschieren, stolpern, singen, weinen – sie wurde zur klanglichen Entsprechung des Soldaten, zum Träger seiner Emotionen. Auch die übrigen Ensemblemitglieder agierten mit charakterbildender Präsenz: mal solistisch hervortretend, mal rhythmisch verschränkt, stets im Dialog mit Sprache und Szene. Die Musik blieb dabei nie bloße Untermalung, sondern entwickelte sich selbst zum Handlungsträger. Zwischen Marsch, Tango, Walzer und Ragtime changierend, rhythmisch verschoben, scharf konturiert und oft mit trockener Ironie durchsetzt, spiegelte sie den inneren Zustand der Figuren ebenso wie die Brüche des Erzählten. Auch ohne große Nummern oder bekannte Melodien entfaltete Strawinskys Klangsprache ihre eigene Sogwirkung. Das Publikum zeigte sich begeistert von diesem Gesamtkunstwerk und spendete lang anhaltenden Applaus.
(Von Larissa Schütz/APA)
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