Sabrina Carpenter braucht Gottes Hilfe
© Dieses Cover von "Man's best friend" wurde als sexistisch, häusliche Gewalt verharmlosend und als schlechtes Vorbild für junge Frauen kritisiert.
Sexistisch, feministisch, geschmacklos? Sabrina Carpenter und Lorde sorgen für Diskussionen mit ihren Albumcovers.
Das kann auch nicht jeder vorweisen. Sabrina Carpenter hat kürzlich ein neues Albumcover präsentiert, von dem sie sagt, dass es von Gott höchstpersönlich genehmigt wurde. Es erinnert an Marilyn Monroe, die sich an irgendeinen Kennedy schmiegt. Die göttliche Intervention kommt nicht von ungefähr. Denn schon vor einer Woche hatte Carpenter ein Cover zu ihrem erst Ende August erscheinenden neuen Album „Man's best friend“ veröffentlicht. Und das kam nicht so gut an.
Auf dem Foto kniet Carpenter vor einem Mann, er hat ein Büschel ihrer blonden Haare in der Hand. Das rührte gleich ein ganzes Repertoire an Assoziationen auf. Vor allem wurde das Bild als sexistisch und frauenverachtend kritisiert, man würde sich von einer erfolgreichen Frau heutzutage keine so devote Haltung erwarten.
Geschichte der Anstößigkeit
1982 ging das nicht. Damals schon wollte die Heavy Metal Band Spinal Tap eine Frau in einer ähnlichen Pose auf ihrem Cover abbilden. Oder, wie es die Label-Agentin zusammenfasste: „Ihr wollt eine nackte, eingeölte Frau auf allen vieren zeigen, die von einem Mann an einer Hundeleine geführt wird. Das findet ihr nicht anstößig? Die Plattenfirma schon“. Deswegen wurde das Cover des Albums dann komplett schwarz.
Das alternative, "von Gott genehmigte" Cover erinnert an Marilyn Monroe in den Armen irgendeines Kennedys.
Das ist aber eine erfundene Geschichte. Also sie ist schon passiert, aber in einem Film, „This is Spinal Tap“ . Was das mit Sabrina Carpenter zu tun hat? Nichts. Oder auch wieder sehr viel. Denn die Sängerin, die mit dem Hit „Espresso“ im Vorjahr zu Weltruhm gelangt ist, liebt es, sich an Bezügen der Popkulturgeschichte zu bedienen. Ihre Videos strotzen vor Filmzitaten, in jenem zum Lied „Taste“ finden sich unter anderem Referenzen zu den Filmen „Der Tod steht ihr gut“, „Psycho“, „Kill Bill.“
Sexualisierte Posen
Carpenters gesamtes Auftreten ist eine Ironisierung aller jemals im Showbusiness berühmt gewordenen Blondinen von Marilyn Monroe bis Anna Nicole Smith. Mit sexualisierten Posen hantiert sie seit Anbeginn, besonders auffallend bei ihrer Tour: In jeder Stadt „tanzte“ sie jeweils beim Song „Juno“ eine Liebesstellung, für Aufsehen sorgte die Eiffelturm-Version in Paris. Da fungierte sie als „Querbalken“ und platzierte ihren Kopf am Hosentürl des einen Tänzers und den Popsch am Hosentürl des anderen Tänzers. Nicht nur Freunden von Erwachsenenfilmen ging da die Fantasie durch.
Das (ursprüngliche) Cover von „Man's best friend“ steht ganz in dieser Tradition. Wer von Sabrina Carpenter Vorbildwirkung für junge Frauen fordert, hat Grundlegendes missverstanden. Das Spiel damit, dass eine Provokation sowohl als stilisierte Gesellschaftskritik verstanden werden kann oder eben als rückschrittlicher Kommentar, gehört zum Konzept. Und zur Geschäftstaktik. Es funktioniert: Carpenter brach vergangene Woche Ed Sheerans Rekord des am längsten ununterbrochen in den Top 5 der Charts verweilenden Albums mit ihrem Vorgänger „Short'N'Sweet“.
Atmosphärisch falscher Zeitpunkt
Das Spielerische, das Carpenters Umgang mit diesen Themen anhaftet, ging nur im konkreten Fall nicht auf. Zu sehr erinnerte ihr Coverbild an jenes Video, in dem Sean „Diddy“ Combs seine Ex-Freundin an den Haaren durch ein Zimmer schleift. Der Fall des wegen schwerer Sexualstraftaten vor Gericht stehenden Musikmoguls steht symbolhaft für einen Rückschritt in der MeToo-Bewegung und ganz generell der Sache der Frauen. So konnte sich US-Präsident Trump letztens vorstellen, den noch nicht einmal verurteilten Angeklagten zu begnadigen. Diese atmosphärische Entwicklung beunruhigt offenbar doch mehr Frauen, als sie Sabrina Carpenter amüsant finden.
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Auch ein Blick in das Innerste einer Frau: Cover von Lordes "Virgin"
Allerdings ist Carpenter in Sachen Unterleibsdiskussionen ohnehin schon wieder überholt worden. Am Donnerstag veröffentlichte Lorde ihr neues Album, am Cover ist ein Röntgenbild ihres Schritts - inklusive Gürtelschnalle und Verhütungsspirale. Im Inneren des Booklets: ein geöffneter Zipp einer durchsichtigen Plastikhose in derselben Körperregion. Gut, auch nichts, was nicht Madonna auch einfallen hätte können.
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