Früher, sagt Romy Madley Croft, hätte sie sich nie getraut, einen Song „Loveher“ zu nennen. Aber jetzt stellt die Gitarristin und Sängerin der Band The xx den sogar an den Anfang ihres nun erschienenen ersten Solo-Albums „Mid Air“.
Schon 2018 begann sie, die Songs dafür zu schreiben, die Euro-Dance und Singer/Songwriter-Flair paaren. Allerdings nicht für sich selbst. „Weil mich schon immer fasziniert hat, was große Pop-Songs ausmacht, habe ich Sessions mit anderen Songwritern begonnen. Ich schrieb sie aber für andere Leute, weshalb ich keine Scheu hatte, dabei sehr persönlich zu werden. Deshalb haben mich Freunde damals oft gefragt: Willst du den Song wirklich weggeben?“
Es war ein langer Prozess, das Selbstbewusstsein aufzubauen, ein eigenes Album zu machen, sagt Croft. Noch dazu wurde 2019 „Electricity“ von Dua Lipa ein Hit, an dessen Komposition Croft beteiligt war. Und sie begann ihre DJ-Karriere auszubauen, weil The xx seit 2017 kein Album mehr aufgenommen hatten.
Wie sie in die DJ-Karriere hineingerutscht ist und sich als Teenager in einem Queer-Club in London zu Songs von Madonna, Rihanna, oder Kylie Minogue freigetanzt hat, hat „Mid Air“ musikalisch und thematisch geprägt. „Ich wollte mit diesen Songs das Gefühl einfangen, wie erhebend das war, und wie ich dabei zu mir gefunden und mich durch die dortigen Freunde sicher genug gefühlt habe, meine Sexualität zu erforschen und einfach ich selbst zu sein.“
Was Croft das Coming-out schwer gemacht hat, war die angeborene Schüchternheit. „Ich bin in der Großstadt London aufgewachsen, wo man jetzt sehr offen mit seiner Sexualität umgeht und sie zelebrieren kann. Aber vor zehn Jahren war das noch anders. Wir haben The xx gegründet, als ich 15 war, und die ersten Konzerte gespielt, als ich 17 war. Meine Familie wusste natürlich davon, aber ich war damals noch nicht bereit, es in der Öffentlichkeit breitzutreten. Jetzt aber will ich eine positive Stimme in der Repräsentation der Queer-Community sein. Denn ja, in den großen Städten ist es heute einfach, zu sein, wer du bist. Aber es gibt so viele Teile der Welt, wo das immer noch gefährlich ist.“
In den Songs ist aber nicht nur das erhebende, befreiende Gefühl einer durchtanzten Nacht in einem Club Thema, sondern auch, wie Croft damals in diesen Clubs all die Verluste verarbeiten konnte, die sie sehr jung erleiden musste. Als sie elf Jahre alt war, starb ihre Mutter an einem Gehirnschlag, und sie musste zu ihrer Tante und deren Familie ziehen. Neun Jahre später starb auch ihr alkoholkranker Vater und kurz darauf ein ihr sehr nahestehender Cousin an einem Gehirntumor.
Auf den Tod der Mutter spielt „Enjoy Your Life“ an. „Ich habe das Lied ,La Vita‘ von Beverly Glenn-Copeland gehört und mir sind sofort die Tränen in die Augen geschossen, weil eine Textzeile davon ist: ,Meine Mutter sagt mir, ich soll mein Leben genießen‘. Das hat mich daran erinnert, wie ich meine Mum verloren habe und wie kurz das Leben ist. Mit diesem Song rufe ich mich und alle anderen dazu auf, das Leben zu genießen. Das ist an manchen Tagen leichter als an anderen, aber es sollte immer die Intention sein.“
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