Roman von Elizabeth Strout: Bei den Leichen im Keller brennt Licht

In "Alles ist möglich" kehrt die Amerikanerin zurück zu den Leuten von Amgash in Illinois.

In Robert Seethalers Roman „Das Feld“ reden die Toten. Denn sie wissen am besten übers Leben Bescheid. Sie wissen, was schön war und schön gewesen wäre und schön hätte sein können. Auf dem Friedhof ist viel Erfahrung versammelt.
In Elizabeth Strouts „Alles ist möglich“ reden (noch) Lebende. Manche Alte , wie der weit über 80 Jahre alte ehemalige Schulwart im Ort, sind aber  weise geworden.
Er hat verstanden: Erst das Bereuen, das Bedauern, wenn man jemanden verletzt hat, macht uns zu Menschen.

Das Kinn recken

An seinen Bruder, der nach dem Krieg im Auftrag der US-Armee die  Bewohner der Umgebung  durch Konzentrationslager führte, erinnert er sich: Manche, so hat der Bruder nachher erzählt, manche weinten. Andere trugen die Nasen hoch und reckten das Kinn und fühlten sich gar nicht schlecht.
Deshalb fragt der frühere Schulwart: Sind die Menschen vielleicht gar nicht dafür gemacht, auf Erden Gut und Böse zu begreifen?
Pulitzer-Preisträgerin Strout (im Bild rechts)geht es nicht darum, ob etwas „böse“ ist. Sondern um das dumme Leben, in dem sich Trauma auf Trauma türmt.
Sie stürzt sich wieder ins Alltägliche, zu den Leichen im Keller, und kehrt zurück ins fiktive Städtchen Amgash in Illinois. Menschen, die schon in Strouts „Die Unvollkommenheit der Liebe“ Rollen spielten, kommen vor. Lucy etwa, die ein einziges Mal von ihrer Mutter hören wollte: „Ich liebe dich.“
„Alles ist möglich“ ist die Ergänzung.  Erzählungen, die bei gutem Willen als Roman bezeichnet werden können. Ist aber egal. Klug ist das Buch. Lebensklug. Immer bleibt bei Elizabeth Strout noch ein Licht brennen.
Sagt eine Frau zu ihrem Bruder – arme Leute beide, schreckliche Kindheit:
„Wir sind immerhin keine Massenmörder geworden.“


Elizabeth Strout: „Alles ist möglich“
Übersetzt von
Sabine Roth.
Luchterhand
Verlag.
256 Seiten.
20,60 Euro.

KURIER-Wertung: *****

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