Eine spritzig witzige, bissige Satire mit vielen Glanzlichtern

Ich bin Blaubart, hollero! Nie war ein Witwer so lustig und froh“: Schon beim Auftrittslied freut sich der Titelheld auf seine zukünftige sechste Frau, nachdem er alle bisherigen (vermeintlich) um die Ecke bringen ließ. Aus der ursprünglich grausamen Story haben Jacques Offenbach und das Autorenduo Meilhac/Halévy mit „Barbe-Bleue“ eine Opéra-bouffe (1866) gemacht, in der virtuos zwischen lieblichen, grotesken und erotischen Szenen jongliert wird. Und was passt besser zum Motto der diesjährigen styriarte, „Gefährliche Liebschaften“, als diese beißende Satire, in der er den Machthabern den Spiegel vorhält.
Szenenbilder aus "Ritter Blaubart"
Wörtlich nimmt Philipp Harnoncourt, der für die Bühne und die semiszenische Inszenierung – eine ziemliche Untertreibung für die überbordende Vitalität auf der Bühne der List-Halle – verantwortlich zeichnet, das Auftrittslied und wartet mit einer Fülle von aktualisierten Gags und Ideen in den überzeichneten Kostümen Elisabeth Ahsefs auf. Dabei findet er das richtige Maß zwischen unterhaltsamer Blödelei und böser Satire. Nur seine selbst verfassten, überlangen deutschen Dialoge hätten einer Straffung bedurft. Eine Holzwand mit länglichen Öffnungen genügt als Kulisse, die mit komischen an Comics erinnernde Video-Projektionen wie Häusern, Landschaften, Palast, Kerker, örtlich näher definiert wird.
Spielfreudig
Spaß- und spielfreudig zeigt sich das gesamte, in einem derben französischen Dialekt singende Ensemble: Elisabeth Kulman, sonst eher im hochdramatischen Fach beschäftigt, ist eine kraftvolle, flexible, resche Boulotte, die üblicherweise von einem Sopran gesungen wird, und mit einem burgenländisch-steirischen Dialektgemisch so richtig blödeln darf. Köstlich ist ihre Kussorgie mit den Bühnenmännern, die sie ins Publikum ausweitet. Johannes Chum, wie Che Guevara mit Rauschebart und Barett ausstaffiert, und im Herbst als Lohengrin am Grazer Opernhaus zu hören, singt den Titelhelden stimmgewaltig mit schön geführtem, lyrischen Tenor. Umwerfend komisch Cornel Frey als König Bobèche mit seinen Trippelschritten und seiner Gestik. Sophie Marin-Degor ist eine leichtstimmige Fleurette/Hermia, Markus Schäfer ein strahlender Prinz Saphir. Sébastien Soulés ist ein urwitziger Popolani, genannt „Popo“. Etwas blass: Thomas Bauer (Oscar) und Elisabeth von Magnus (Clémentine). Souverän wie immer: der Arnold Schoenberg Chor (Mihal Kucharko).
Harnoncourt wäre nicht Harnoncourt, wenn er das Werk nicht in einer kritisch durchleuchteten Fassung brächte. Der stets befeuernde Maestro, unbestritten das Zugpferd der styriarte, kann aus dem ganz famosen Chamber Orchestra of Europe eine enorme Portion Spritzigkeit, Witz, zugespitzte Akzente sowie eine reiche, teils extrem dynamische Palette herausholen. Jubel!
KURIER-Wertung: ***** von *****
INFO: Termine: 24., 26., 28., 30. 6. und 2. 7.
www.styriarte.com
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