Es sind sehr spezielle Charaktere, diese Red Hot Chili Peppers. Das zeigt schon alleine, wie sie auf die Bühne des Wiener Ernst-Happel-Stadions kommen. Bassist Flea, der sich sein Manifest „Support your local freak“ (Deutsch: „Unterstütze deinen örtlichen Freak“) auf das Instrument geschrieben hat, tut das nämlich im Handstand. Und dann beginnen er, Drummer Chad Smith und Gitarrist John Frusciante die Show damit, dass sie erst einmal jammen.
Das ist mutig und egoistisch zugleich. Denn erst nach zehn Minuten kommt Sänger Anthony Kiedis dazu, und die Red Hot Chili Peppers fallen mit „Around The Word“ in den ersten Song des Abends. Der einzige Schnauzbartträger der Rockszene, mittlerweile auch schon 60 Jahre alt, hüpft wie wild über die Bühne – obwohl er eine fette Gehschiene am linken Bein hat. Von Anfang an macht die Band, die in den 90er-Jahren mit ihrem Crossover-Sound, der Rap, Funk und Rock fusionierte, so prägend war, sich aber nie den Ruf eines großartigen Live-Acts erspielen konnte, bei dieser Show vieles richtig.
Anders als Anfang 2023 in Australien, als Fans in den sozialen Medien Proteste anzettelten, konzentriert sich das Programm auf die Songs der Erfolgsalben „By The Way“, „Californication“ und „Stadium Arcadium“ anstatt auf jene von den zwei Alben, die sie 2022 innerhalb weniger Monate rausbrachten.
Das, hieß es damals, sei der Rückkehr von Frusciante geschuldet, der diesen Kreativitätsschub ausgelöst habe. Doch die Kritiker (aber auch einige Fans) konnten sich nicht viel mit dem neuen Material anfangen, das wie ein müder Abklatsch dessen klang, was sie in den 90er-Jahren erschaffen hatten.
Ein großer Gewinn ist Frusciantes bereits zweiter Wiedereinstieg aber für die Liveshow. Immer wieder sorgt er mit seinen Soli und Riffs während der Show für spannende Momente. Singen darf er auch: Für „unser Idol“ Iggy Pop (er trat im Vorprogramm auf) dessen „Neighborhood Threat“.
Auch die Musikalität der anderen ist bemerkenswert. Smith gilt in Schlagzeugerkreisen als einer der fünf besten der Welt, kann sich jedem Stil anpassen und ist in den Chili-Peppers-Pausen mit einer Jazzband unterwegs. Auch im Happel-Stadion zeigt er, was er drauf hat, drischt rabiat auf die Felle, wenn es ein Song wie „Blood Sugar Sex Magik“ verlangt, und agiert wunderbar zurückhaltend bei Balladen wie „Soul To Squeeze“, wo Kiedis zeigen kann, dass er nicht nur schnelle Zungenbrecher-Raps beherrscht, sondern auch singen kann.
Flea ist sowie so der herausragende Charakter in der Band: Er hüpft am Platz wie ein Flummi, springt in breiter Grätsche in die Höhe und rast dabei manisch besessen und im Turbo-Tempo durch seine Töne und über die Saiten.
Trotz all dem hat die Show in der Mitte Längen, Phasen, in denen die Musik routiniert gespielt, aber nicht leidenschaftlich gelebt klingt.
Immer wieder stehen die Musiker zwischen den Songs zusammen und reden für das Publikum unhörbar, so als würden sie gerade jetzt erst diskutieren, welcher Song als Nächstes kommt. Immer wieder streuen sie auch lange Jam-Passagen ein. Vor allem Flea und Frusciante duellieren sich dann gerne, sorgen so für ein paar Highlights. Gelegentlich hat man dabei aber auch das Gefühl, Frusciante kommt nicht ganz mit Fleas Tempo mit, und das Zusammenspiel der Instrumentalisten ist nicht exakt.
So ist im Mittelteil die Show manchmal spektakulärer als das Feeling, das von der Bühne kommt. Bestimmt ist die Szenerie dieser „Global Stadium“-Tour nämlich von einem LED-Schirm, der sich von der Unterseite des Bühnendachs über den Hintergrund bis vorne in den Fotografengraben zieht. Bespielt wir er mit psychedelischen, sich ständig verändernden, abstrakten Farbmustern, was zum Beispiel in den Regenbogenfarben bei „Reach Out“ sensationell aussieht.
Zu Schluss aber steigt die Stimmung im Ernst-Happel-Stadion wieder rapide an. In das Finale packen die Red Hot Chili Peppers nämlich mit „Californication“, „By The Way“ und „Give It Away“ ein paar ihrer größten Hits – mit dem Erfolg, dass 45.000 Zuseher doch noch zufrieden lächelnd zur U-Bahn und in die Prater-Hauptallee strömen können.
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