Raja Alem: Als in Mekka die Ewigkeit verdorben wurde

Raja Alem:  Als in Mekka die Ewigkeit verdorben wurde
Der Roman "Sarab" ist eine Liebesgeschichte zur Geburtsstunde des islamistischen Terrors, 1979 bei der Großen Moschee.

Aus Mekka kommen wieder ungewöhnliche Töne. Zum zweiten Mal schon, nach „Das Halsband der Tauben“ – diesem Kriminalroman, der nicht von einem Menschen erzählt wird, sondern von der (eifersüchtigen) Vielkopfgasse in der Nähe der Kaaba; eine heilige und korrupte Gegend ist das.
„Sarab“ handelt von der Geburtsstunde des islamistischen Terrors. 1979 wurde der Welt der Krieg erklärt.
Der Verlag wirbt damit, es sei ein Roman „aus erster Hand“. Unfug. Raja Alem wurde in Mekka geboren, sie war aber wirklich nicht dabei, als 500 schwer bewaffnete Anhänger eines fundamentalistischen Predigers die Große Moschee besetzten und Tausende Pilger als Geiseln nahmen.

Im arabischen Raum ist „Sarab“ noch nicht erschienen. Raja Alem fürchtet, missverständlich geschrieben zu haben. Das kann gefährlich sein.
Einmal zitiert sie das Sprichwort: Nichts könne Datteln verderben, nicht Schlangen, nicht Skorpione, nicht die Zeit – Datteln sind Ewigkeit.
... und dann schreibt sie über einen Sack Datteln , aus dem Maden kriechen. Dicke Maden. Mitten in Mekka. Was hat ausgerechnet hier die Ewigkeit verdorben?
Die Moschee jedenfalls war besetzt worden, weil sich die Stadt an den Westen verkauft habe.  Der saudische König bat „Ungläubige“ um Hilfe. Zwei Wochen kämpfte die Eingreiftruppe der französischen Nationalgendarmen gegen die Scharfschützen. Sie pumpten 300 Kilo Giftgas in die Katakomben und setzten das Kanalwasser unter Strom.
Rebellen, die nicht umkamen, wurden nach dem Kampf enthauptet.
Ein schreckliches Buch, ein Buch, das verstehen will; und das  klug genug ist, die Liebe mitspielen zu lassen.
Einer der „Gotteskrieger“ nimmt auf seiner Flucht durchs unterirdische  Labyrinth einen vom Gas bewusstlos gewordenen Franzosen gefangen und schleppt ihn in ein verlassene Wohnung.  Große Szene: Er hält die Puppen im Kinderzimmer nicht aus und schneidet ihnen die Augen heraus.
Der Franzose ist zu einer Tötungsmaschine ausgebildet worden. Seine Welt ist jener des Terroristen nicht ganz unähnlich – Sanftheit und Menschlichkeit sind eliminiert worden.
Der Terrorist ist –  eine Frau, Sarab. Auch sie wollte, wie ihr Bruder, ein Herz aus Fels haben. Auf Schläge und Tritte, auf Gebete und Fluche folgen Gespräche.
Das Paradies nach dem Tod  vs. Paradies auf Erden.
Es ist kein Fehler, wenn die beiden miteinander schlafen, damit Ruh’ ist.

 

Raja Alem:
„Sarab“
Übersetzt von Hartmut
Fähndrich.
Unionsverlag.
320 Seiten.
24,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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