Rabl-Stadler: Aussprache mit Töchterle

Eine Frau in einem roten Blazer gestikuliert während eines Gesprächs.
Im KURIER-Interview erklärt die Salzburger Festspielpräsidentin, warum der Wissenschaftsminister heuer trotz seiner Absage bei den Festspielen erwartet wird.

Der eisige Wind aus der Klimaanlage legt sich. Salz, Pfeffer und Zahnstocher verschwinden wie von selbst vom Kaffeetisch. – Helga Rabl-Stadler braucht nur kurz darum zu bitten. Die Frau, die seit 1995 als "aktive Präsidentin" den Salzburger Festspielen vorsteht, macht sich die Welt gern, wie sie ihr gefällt. Und das macht sie sympathisch. Nur eines bringe sie "absolut auf die Palme", gesteht sie: Menschen, die ihr erklären wollen, warum etwas nicht geht.

Beim Interview im Wiener Hotel Sacher erzählt sie mit leuchtenden Augen, dass jetzt "die schönste Zeit" in Salzburg anbreche, weil die Proben beginnen. Sie habe schon "das erste Sängerlachen" im Festspielhaus gehört – "Hohoho!", ruft sie mit gespielter Bassstimme. Ihre Begeisterung für die Festspiele ist spürbar. Ihr Ärger über Korruptionisten und die "Telekom-Partie" ebenso.

Helga Rabl-Stadler: Soll ich freundlich schauen fürs Foto? Mein Vater sagt oft: "Schau nicht so bös’!" Wenn ich nachdenke, bin ich ernst, aber nicht böse. Ich bin immer gut aufgelegt.

KURIER: Die deutsche "Zeit" hat über Sie geschrieben: "Ihre Fröhlichkeit, Spontaneität und scheinbare Unbekümmertheit steckt an."
Das kann schon sein. Aber eines bin ich sicher nicht: unbekümmert. Im Gegenteil. Meine Söhne nannten mich oft "unsere Katastrophenfrau", weil ich vorhergesehen habe, welche Katastrophen eintreten könnten. Aber eben dadurch sind sie oft nicht eingetreten (sie lacht) . Und meine Fröhlichkeit hat viel damit zu tun, dass meine beruflichen und privaten Beziehungen einfach stimmen – mit der Familie, den Freunden, den Mitarbeitern, den Künstlern und dem Publikum.

Und wie ist Ihre Beziehung zum neuen Intendanten, Alexander Pereira?
(Denkt nach) In einem Interview für unser Freunde-Magazin habe ich ganz salopp gesagt: "Paarlauf muss gelernt sein." Und das ist ein neuer Paarlauf.

Wie würden Sie Pereira in drei Worten charakterisieren?
Schwierig (überlegt) ... "Immer in Bewegung!"

Er ist der fünfte Intendant in Ihrer Amtszeit.
Ja, Mortier, Ruzicka, Flimm, Hinterhäuser, Pereira – das sind schon sehr unterschiedliche Menschentypen. Ich finde das spannend – (flüstert schmunzelnd) auch wenn es manchmal etwas weniger spannend hätte sein können.

Ihr Anfang mit Gerard Mortier war wohl nicht leicht. Er nannte Sie in großen ausländischen Zeitungen "die Dirndlverkäuferin aus der Getreidegasse", wiewohl Sie nie Dirndln verkauft und ein Mode-Unternehmen mit 70 Mitarbeiterinnen geführt haben.
Ich muss zugeben, das war sehr schmerzhaft, weil’s mich völlig unvorbereitet getroffen hat. Davor hieß es immer: "Die war eine gute Journalistin, eine gute Politikerin ..." Und dann DIESER Misstrauensvorschuss.

Es war doch augenscheinlich, dass Mortier einfach keine "aktive" Präsidentin wollte.
Ja, aber ich hab’s persönlich genommen. So souverän war ich damals nicht. Übrigens: Wir haben uns in Salzburg getroffen (schmunzelt).

Zufällig oder vorsätzlich?
Mortier hat einen Vortrag gehalten, ich war dort, bin also vorsätzlich zu einem zufälligen Treffen gegangen. Wir haben uns umarmt.

Wie groß war der Schatten, über den Sie da gesprungen sind?
Die Schatten sind Vergangenheit. Ich habe meine Möchtegern-Mörder schließlich überlebt. Und ich kann gut verzeihen.

Rabl-Stadler über Regelung zum "Anfüttern"

Mary Robinson, ehemalige Präsidentin Irlands, in einem roten Blazer vor Gemälden.

Kommen wir zur Tagespolitik. Die Regierung hat soeben ihr "Transparenzpaket" vorgestellt, in dem es um Parteienfinanzierung, aber auch um "Anfütterung" geht ...

Wir hätten uns die ganze Debatte erspart, wenn die Parteien das gemacht hätten, was sie 2009 versprochen haben, nämlich die Parteienfinanzierung ehrlich und transparent zu gestalten. Das wurde nicht gemacht. Ich bin stolz, dass Gabi Burgstaller und Wilfried Haslauer in Salzburg mit den neuen Transparenzrichtlinien bereits etwas vorgegeben haben. Aber was die geplante Regelung zum Anfüttern betrifft (Amtsträger dürfen, etwa bei Einladungen, nur noch "geringfügige Vorteile", Grenze: 100 Euro, in Anspruch nehmen, Anm.), bin ich skeptisch. Man wird sehen, ob das die Gerichte mit Bagatellfällen verstopft oder ob es tatsächlich einen Beitrag für eine Gesinnung leistet, die Korruption gar nicht erst entstehen lässt.

Kann ein Gesetz die Gesinnung beeinflussen?
Ein bisschen glaube ich schon an die Theorie von der "Sittenbildenden Kraft des Strafgesetzes" ...

Das sagen Sie jetzt als Juristin?
Ja. Leider leben wir in einer Zeit, in der alles, was nicht verboten ist, als erlaubt gilt und niemand mehr auf die Idee kommt, dass etwas schlicht unanständig sein könnte. Ich finde das verheerend.

Also sagen Sie zum Transparenzpaket: "Höchste Zeit!"?
Eher sage ich: "Traurig, dass wir den verlustig gegangenen Anstand durch Compliance-Regelungen ersetzen müssen."

Zum Thema Anfütterungsverbot – Stichwort: Einladungen zu Kultur- und Sportveranstaltungen – bleiben Sie als Festspielpräsidentin naturgemäß skeptisch. Wieso kämpfen Sie diesmal nicht dagegen, so wie 2009 gegen das Antikorruptionsgesetz, das dann teilweise zu Fall gebracht wurde?
Ich habe mich nicht mehr zu Wort gemeldet, obwohl ich fürchte, dass die österreichische Gastfreundschaft generell unter den Verdacht der Korruptionsanbahnung gerät. Denn ich möchte nicht im ekelhaften Umfeld der Telekom-Partie wahrgenommen werden.

"Naturallohn" für Töchterle

Eine Frau in rotem Blazer lächelt vor einem grünen Hintergrund mit Gemälden.

Wissenschaftsminister Töchterle hat im Interview mit der KURIER-Innenpolitik über Festspielbesuche gesagt: "Ich habe keine Lust, mich in diese Debatte hineinziehen zu lassen. Ich mag aber auch nicht mit einem Schild herumlaufen: ,Ich habe meine Karte selber bezahlt.’ Das ist mir zu deppert. Deswegen habe ich die Einladungen zu den Festspielen in Salzburg und Bregenz zurückgelegt." – Haben Sie danach persönlich mit ihm gesprochen?
Ja, ich habe ihn angerufen. Ich verstehe seinen Ärger, und er versteht meinen Ärger über seine Äußerungen. Ich glaube, dass ein Wissenschaftsminister wissen sollte, was sich kulturell in Österreich abspielt, und bin froh über jedes Regierungsmitglied, das zu uns kommt. Außerdem habe ich ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er sich schwertun wird, heuer nicht zu den Festspielen zu kommen. Denn er wird im Rahmen unserer "Ouverture spirituelle" einen Vortrag halten. Alle Teilnehmer dieser Veranstaltung gehen gemeinsam in Haydns "Schöpfung". Das fällt dann sicher nicht unter Anfüttern, sondern ist ein Naturallohn für seine Leistung als Redner.

Ist anzunehmen, dass in Zukunft mehrere Besucher Angst vor der Nachrede haben?
Ich fürchte, ja. Es gibt Festspielbesucher, die zum Sponsoren-Empfang nach der Vorstellung eingeladen sind und nicht mehr hingehen, weil sie sagen: "Dann glauben alle, ich habe meine Karte nicht selber gezahlt, das habe ich nicht notwendig." Ich verstehe das. Aber lustig wird das für uns nicht. Hier kommt die österreichische Neidgesellschaft voll zum Tragen. Und zwar mit anonymen Anzeigen. Ich kenne so einen Fall. Der Betroffene konnte nicht nur beweisen, dass er seine Karte selbst gezahlt hat, sondern dass er sogar Förderer ist. Das muss man sich vorstellen! Damit beschäftigen sich die Gerichte.

Angesichts dieser Entwicklungen werden in Zukunft wohl auch Unternehmen hinterfragen, ob sie ins Sponsoring gehen?
Ich glaube, es wird immer wichtiger, wohlhabende Private als Mäzene zu gewinnen.

Dennoch springen Ihnen langjährige Sponsoren wie Siemens, Audi oder Nestlé, nicht ab, sondern verlängern die Verträge. Werten Sie das als Kompliment?
Ja. Glücklicherweise ist die Marke Salzburger Festspiele so stark, dass sich Unternehmen gern mit ihr verbünden. Aber es ist eine große Herausforderung, einen Sponsor zu halten. Nestlé habe ich bereits als Sponsor vorgefunden, als ich 1995 kam. Es ist ein ständiges Weiterarbeiten an einer sinnvollen Beziehung. So wird der "Salzburg Festival and Nestlé Young Conductors Award" diesen Samstag und Sonntag erstmals in der Felsenreitschule öffentlich ausgetragen.

Bereits 12 Prozent des Gesamtbudgets der Festspiele kommen von Sponsoren. Wie schaffen Sie das? Was machen Sie richtig?
Vertrauen und Glaubwürdigkeit schaffen. Sponsoren kann man nicht über Agenturen finden. Genauso wenig wie Politiker ihre Ideen über Lobbyingagenturen glaubwürdig vertreten können. Sponsorensuche ist Chefsache, darin sind sich Alexander Pereira und ich einig. Früher waren wir Konkurrenten um den Europameistertitel im Sponsoring, sage ich immer (schmunzelt) . Jetzt schaffen wir gemeinsam, was das Sponsoring betrifft, das erfolgreichste Jahr in der Festspielgeschichte.

Sie sind bis September 2014 im Amt, wollen aber keine Nachfolge-Empfehlung abgeben.
Ich bin sicher nicht die Richtige, um zu sagen, der oder die soll ganz anders sein als ich. Denn ich glaube ja, dass ich’s richtig mache (lacht). Wichtig ist, dass der Präsident oder die Präsidentin aus Salzburg ist, damit die Festspiele in der Region verhaftet und nicht abgehoben sind. Er oder sie muss den Menschen hier erklären können, warum es auch ihre Festspiele sind und nicht ein zufälliger Treffpunkt der Reichen und Schönen.

Werden Sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen?
Es sind noch drei Festspiele bis dahin! Man darf sich nicht durch Vor- und Zurückschauen den Blick auf die Gegenwart verstellen.

Sie sagen, Sie wollen danach wieder schreiben, ein Buch vielleicht...
Vom Buch bin abgekommen, es gibt eine Inflation an schlechten Biografien. Kaum zu glauben, wer die Courage oder, härter formuliert, die Frechheit hat, ein Buch zu schreiben!

Es wäre spannend, was Sie über 20 Jahre Salzburger Festspiele zu erzählen haben ...
Aber ich möchte dann noch auf die Straße gehen können. Wenn ich etwas schreibe, wäre das eine sehr ehrliche Rückschau. Da müsste ich einigen Weggefährten ein paar unangenehme Wahrheiten sagen.

Salzburger Festspiele: Zahlen, Daten, Direktoren

Drei Personen posieren vor einer Wand für ein Gruppenfoto.

Festspielsommer 2011
Mit 95 Prozent Gesamtauslastung und mehr als 250.000 Besuchern (inkl. offene Proben und Sonderveranstaltungen) verzeichneten die Festspiele im Vorjahr Einnahmen von knapp 25 Millionen Euro.

Festspielsommer 2012
Der Kartenverkauf läuft gut: Derzeit sind um 20 Prozent mehr Karten verkauft als im April des Vorjahres. Das sei auch wichtig, sagt die Präsidentin, weil man die Anzahl der Karten um 20 Prozent gesteigert habe. Geplant sind 256 Veranstaltungen an 16 Spielorten. Besonders betont die Präsidentin, dass mehr als die Hälfte der angebotenen Karten zwischen 5 und 100 Euro kosten. Das zeige, dass die Festspiele keineswegs elitär oder unerschwinglich sind. Das Gesamtbudget beträgt heuer 56 Millionen Euro, etwa 12 Prozent stammen von Sponsoren.

Das Festspiel-Direktorium
Seit 1995 ist Helga Rabl-Stadler Präsidentin. Neuer Intendant ab 2012 ist Alexander Pereira. Sven Eric Bechtolf ist, ebenfalls seit heuer, Schauspielchef.

Die Präsidentin
Dr. Helga Rabl-Stadler ist Juristin. Sie wurde 1948 in Salzburg geboren, studierte in Salzburg und wurde Journalistin in Wien. 1974 kam sie zum KURIER und war dessen erste weibliche Innenpolitik-Kolumnistin. 1983 wurde sie ÖVP-Nationalratsabgeordnete, 1988 Präsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer. 25 Jahre lang führte sie das Modehaus Resmann, das der Familie der Mutter gehörte. Sie ist geschieden und hat zwei erwachsene Söhne.

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