Presserat beschäftigt sich erneut mit Jeannée

Ausschnitte aus einer Zeitung mit Artikeln über Fußball und ein Gewaltverbrechen.
Das Kontrollorgan überprüft Michael Jeannées "Krone"-Kolumnen über einen deutschen "Endspielsieg".

Der Presserat wird auch im Fall einer zweiten Kolumne von Krone-Kolumnist Michael Jeannée tätig werden, bestätigte das Selbstkontrollorgan dem KURIER. Nachdem er bereits das Fußball-WM-Semifinale zwischen Brasilien und Deutschland zum Anlass genommen hatte, NS-Anspielungen in seine Kolumne zu verpacken, legte er in der Donnerstag-Ausgabe der Krone noch einmal nach. Erneut an Joachim Löw gerichtet, schreibt er "aus aktuellem Anlass" von "Ihrem totalen 7:1-Sieg" und lobt die "deutschen Tugenden in elf deutschen Sportlern". Ein Teil dieser "Post von Jeannée" ist eine Wiederholung der Kolumne, die bereits am Dienstag erschienen ist. Darin wandelte er das Deutschlandlied ab, zitierte ein altes SA-Kampflied und sehnte den "Endspielsieg" herbei.

Jeannée spielte damit auf eine alte Nazi-Diktion an, der Text wurde in der Morgenausgabe schlussendlich um zwei Sätze gekürzt. Die Abwandlung des Deutschlandliedes mit "Jogi, Jogi, über alles, über alles in der Welt" findet sich nun neuerlich.

Der provokante „Krone“-Postler Michael Jeannée legt noch einmal in Richtung NS-Zeit nach. Am Donnerstag erschien in der reichweitenstärksten Zeitung des Landes eine Kolumne, die wieder die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Blick hatte. Erwartungsvoll konsumierten die Leser die Zeilen des Kolumnisten, der zwei Tage davor mit dem „Endspielsieg“ unsäglich unpassend mit NS-Vokabular kokettiert hatte, was in Teilen der Auflage nachträglich gestrichen worden war.

Tags darauf erschienen statt der aktuellen Kolumne von Herrn Jeannée Briefe an diesen. Die Beobachter wunderten sich, was wohl hinter den Kulissen los war. Hatte Herausgeber Christoph Dichand dem geschmacklosen Treiben des prominentesten Journalisten seines Hauses einen Riegel vorgeschoben? War der NS-Vergleich gar das Ende der Karriere des streitbaren 71-jährigen Unruheständlers?

Ausschließlich Lobeshymnen

Die ausgewählten Briefe verhießen nichts Gutes: Ausschließlich Lobeshymnen an Jeannée (wenn auch nicht zu dem pikanten Thema tags davor) fanden Eingang in die einspaltige Kolumne. Ein Signal an die Kritiker? Oder ein Signal des mächtigen Journalisten Jeannée an seinen Herausgeber?

Christoph Dichand, der die einflussreichste Zeitung des Landes führt, reagierte auf die per Mail gestellte Frage, wie weit Jeannée die Unterstützung des Herausgebers habe, wenn er den Grundkonsens der Republik nach Ende des Zweiten Weltkrieges überschreite, nicht. Das ist durchaus üblich, schließlich kommuniziert der „Krone“-Chef nur in alleräußersten Ausnahmen und auch nur off records mit Medienjournalisten anderer Zeitungen.

Anspielung auf Goebbels

Den wesentlichen Teil der Antwort durfte Jeannée selbst geben, der in seiner Kolumne in der Donnerstagausgabe vom „totalen 7:1-Sieg“ schrieb. Diesmal wurde die offenkundige Anspielung auf einen Satz von Joseph Goebbels höchstpersönlich („Wollt ihr den totalen Krieg?“) nicht gestrichen.

Publizistische Katastrophe

Die Krone deklariert sich damit. Pro Grenzüberschreitung in Richtung Drittes Reich, pro NS-Wortspiele und damit pro Verballhornung eines der grausamsten Unrechtsregime, die die Welt jemals gesehen hat. Passiert sowas in einer kleinen Randgruppen-Publikation wie „Zur Zeit“, ist das ein politisches und menschenrechtliches Ärgernis. Stellt sich die größte Zeitung des Landes als Plattform für solche Gedanken zur Verfügung, ist das nichts anderes als eine publizistische Katastrophe.

Zwei Männer unterhalten sich lächelnd im Freien.
APA8336604 - 20062012 - WIEN - ÖSTERREICH: Bundeskanzler Werner Faymann und Michael Jeannee (Krone)während des "Kanzlerfests",am Mittwoch 20. Juni 2012, in Wien APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Zum kolportierten und bekannt problematischen Naheverhältnis des SPÖ-Kanzlers Werner Faymann mit dem Boulevard-Riesen gesellt sich nun eine weitere Facette: Darf ein sozialdemokratischer Regierungschef wirklich so innig mit einer Zeitung sein, die den braunen Sumpf auf ihren Seiten mit Anspielungen bedient? Es bleibt abzuwarten, wie die Regierungsspitze damit umgeht.

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