Piano-Star Lang Lang im Gespräch: „Mendelssohn ist wie der neue Mozart“

„Ich war sehr bewegt“, sagt Lang Lang.
Der chinesische Starpianist wurde zuletzt im Salzburger Festspielhaus mit Daniel Barenboim und dem mit Musikern aus Israel, Palästina und anderen arabischen Staaten international besetzten West-Eastern Divan Orchestra umjubelt für seine funkelnde Interpretation des ersten Klavierkonzerts von Felix Mendelssohn. Lang Lang im KURIER-Gespräch: „Maestro Barenboim war in sehr guter Verfassung. Er erinnert mich an ein Video des großartigen Pianisten Mieczysław Horszowski. Fast 101 Jahre alt, konnte er kaum laufen. Aber wie er die letzten drei Klaviersonaten von Beethoven spielte, war verrückt.“
1 Milliarde Streams
Lang Lang stand mit „Piano Book“ und mehr als einer Milliarde Streams weltweit 2019 ganz oben im Ranking der erfolgreichsten Klassikalben. „Piano Book 2“ (Deutsche Grammophon) erscheint am 17. Oktober und folgt „dem gleichen Konzept, diesmal nur mit einigen technisch anspruchsvolleren Stücken, die Menschen jeden Alters, jeder Herkunft und jeden Spielniveaus für das Klavier begeistern soll“.
Hochemotional ist Chopins Prélude op. 28 Nr. 4 in e-Moll als Opener mit einer der traurigsten Melodien, die je geschrieben wurden. Lang Lang: „Man muss herausfinden, wo der größte Schmerz in diesem so melancholischen Stück liegt, und ihn zum Ausdruck bringen.“ Darauf folgt ein scharfer Kontrast und Stimmungsaufheller: Mendelssohn Bartholdys „Lieder ohne Worte V“.
Der Pianist präsentiert es mit Leichtigkeit wie „Ein Sommernachtstraum“: „Ich liebe Mendelssohn. Für mich ist er wie der neue Mozart. Ähnlich im Stil. Ich liebe dieses märchenhafte Flair in seiner Musik.“

Verführerisch
Außerdem enthält „Piano Book 2“ eine Transkription für Solo-Klavier der 18. Variation aus Rachmaninows Rhapsodie über ein Thema von Paganini, einer Fundgrube verführerischer Melodien.
Die 32 „Miniatur-Meisterwerke“ versammeln u. a. Bach, Mozart, Satie, Debussy, Liszt bis zu Tony Ann und Ludovico Einaudi: „Er hat eine einzigartige, sofort erkennbare Stimme. Und seine Musik führt einen in tiefe emotionale Gewässer.“
Auf dem Album vertreten sind Film-Soundtracks aus „Die fabelhafte Welt der Amélie“, „La La Land“ und Themen aus der Anime-Serie „Naruto“, Andrew Wrangells „Rush E“, eine Komposition aus synthetischer Klaviermusik, der Jazz-Standard „I’m Confessin’“, bekannt durch Thelonious Monk, und „Spring“ von Joe Hisaishi. Und auch das Videospiel „Black Myth: Wukong“, Nobuo Uematsus Musik zu „Final Fantasy X“, Yu-Peng Chens Sound zu „Genshin Impact“ und Tony Anns „Icarus“ in einer neuen vierhändigen Fassung mit dem Komponisten. „Je einfacher ein Stück ist, desto schwieriger ist es, es gut vorzutragen“, sagte schon Artur Rubinstein.
Wie auch Lang Lang: „Auch wenn etwas technisch gar nicht schwierig ist, muss man die Interpretation gestalten und alles artikulieren mit einem bestimmten Stil, einer gewissen Einzigartigkeit in der Ausdrucksweise. Denn selbst eine einfache Tarantella kann schrecklich gespielt werden. Deshalb halte ich es für wichtig, Schülern zu zeigen, dass sie, auch wenn sie vielleicht nicht Tschaikowsky spielen können, selbst einfache Stücke wie ein großes Werk künstlerisch gestalten und ihre Ohren öffnen müssen.“
Für Lang Lang „ist Musikausbildung von entscheidender Bedeutung. Wir müssen diese Arbeit fortsetzen, um die nächste Generation zu inspirieren, ihr das Selbstvertrauen zu geben, klassische Musiker zu werden und ihre Liebe zu dieser großartigen Musik zu teilen.“
Leidenschaft wecken
„Ich möchte die Leidenschaft der Menschen für das Klavier wecken, egal wer sie sind. Man vergisst nie, wie klassische Musik das erste Mal das Herz berührt hat, auch wenn man nicht wusste, dass es sich um ,klassische Musik’ handelte. Menschen erinnern sich immer an großartige Musik, egal wer sie geschrieben hat oder woher sie kommt.“
Und was war das Schlüsselerlebnis für den 43-Jährigen? „Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 1989, das Carlos Kleiber fast getanzt hat. Und enormen Eindruck hat auf mich Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 mit Wladimir Horowitz und Arturo Toscanini gemacht. Gefragt, warum er so schnell und laut dirigierte, antwortete er: ,Weil ich’s kann.’ Das ist schon sehr lustig.“
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