Sein Leben galt der Spirale des Bösen

Ich begehre, was du begehrst. Dieses Verhalten führt zum Konflikt, zum Krieg, zur Apokalypse, behauptete der französische Philosoph und Kulturanthropologe Rene Girard, der am 4. November im Alter von 91 Jahren auf dem Gelände der Stanford Universität gestorben ist. In einer Aussendungen bezeichnete die kalifornische Universität den Religionswissenschaftler als "einen der führenden Denker unserer Ära".
Auch Frankreichs Präsident Francois Hollande würdigte ihn als "freien Mann und Humanisten, dessen Werk Spuren in der Geistesgeschichte hinterlassen wird". Nach Angaben der Universität Stanford starb Girard am Mittwoch nach langer Krankheit.
Nachahmung führt zu Gewalt
Der Franzose hatte sich vor allem mit den Ursachen von Konflikten und der Bedeutung der Nachahmung für das menschliche Verhalten beschäftigt. Der Ausgangspunkt seiner mimetischen Theorie ist die Feststellung, dass Gesellschaften nur dann überleben, wenn sie es auch schaffen, der Gewaltausbreitung innerhalb der Gruppe entgegenzuwirken. Konflikte, so Girard in seinen Publikationen zwischen 1961 und 2002, entstehen durch das mimetische Begehren - das eigene Begehren orientiert sich am Begehren anderer.
Diese Mimesis erzeugt beim Gegenüber den Eindruck, sein Begehen sei gut begründet. Es kommt zu Neid, Eifersucht und Widerstand, was schließlich zur Rivalität führt. Während die Differenzen zwischen den Rivalen immer größer werden, werden sie sich in ihrem Verhalten immer ähnlicher.
Ein Beispiel: Ein Präsident annektiert ein Teil eines souveränen Landes, das das Pech hat, im Brennpunkt geopolitischer Interessen zu liegen. Auf den Vorwurf, er breche das Völkerrecht, antwortet er, die Opposition habe es so vorgemacht. Sanktionen werden mit Sanktionen erwidert, Gewalt mit Gewalt. Die Konfliktparteien verhalten sich mimetisch, der begehrte Teil des Landes wird zur Nebensache, Angreifer und Verteidiger rücken in den Vordergrund.
"Mimetische Rivalität ist die Hauptquelle menschlicher Gewalt", schrieb Girard 2002 in seinem Werk "Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz: Eine kritische Apologie des Christentums".
Spirale des Bösen
Bürgerkriege und Bruderkriege sind auf die geringen mimetischen Unterschiede zurückzuführen, behauptete der Philosoph, der sich intensiv mit dieser Spirale des Bösen auseinandergesetzt hat. Der Neid, nicht das begehren zu können, was der Andere begehrt, sei nur mit der Botschaft des Evangeliums zu verhindern. Das Religiöse, so seine theoretischen Überlegungen, kann durch Verbote die mimetische Rivalität in Schach halten; der Mensch alleine schafft das nicht.
Girards Werke waren stets Ziel von Kritik gewesen. Der Philosoph würde sich von der katholischen Religion zu sehr beeinflussen lassen, sodass seine Untersuchungen nicht objektiv genug seien. Andere Ansichten würde er gar nicht berücksichtigen. Theologische Kreise hingegen sahen seine Theorien positiv, was nicht zuletzt wieder kritische Stimmen hervorgerufen hat.
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