Und täglich grüßt das Guerilla-Frühstück

Alles begann mit einer "Abendlaune" am Karlsplatz, wie Künstler Friedemann Derschmidt erzählt. Geworden ist daraus eine pausenlos weiterlaufende Kunstauktion, bei der mittlerweile Plätze in aller Welt "befrühstückt" werden.
Das erste "Permanent Breakfast" fand am 1. Mai 1996 am Wiener Schwarzenbergplatz statt - so wie die Frühstücke danach ohne Voranmeldung und als Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum. Zum Teil werden die Situationen auch zum "Lackmustest für Zivilcourage", erklärt Derschmidt im KURIER-Interview (siehe unten).

Ständiger Austausch
So ein Frühstück an öffentlichen Plätzen erregt klarerweise Aufmerksamkeit. Aber der Austausch mit Passanten ist nicht nur erwünscht, die Kommunikation mit Dritten ist ein wichtiger Teil der Aktion.
Über die Idee hinter "Permanent Breakfast", wie die Aktion zum Selbstläufer und zum internationalen Phänomen wurde und was man als Bürger darf und nicht darf, sprachen wir mit Friedemann Derschmidt im Interview (siehe unten).
"Permanent Breakfast" around the world
Wie sind Sie auf die Idee gekommen,
Frühstücke im öffentlichen Raum zu veranstalten?
Im Grunde war das hier am Karlsplatz. (Anmerkung: Interview fand im Café Museum statt). Ein Freund und ich waren unterwegs, wir waren in Abendlaune, wollten aber in kein Lokal gehen. Da haben wir uns einen Tisch genommen und haben uns vor die Karlskirche gesetzt und unser gepflegtes Bier getrunken. Und wir haben festgestellt: das kann was, wie wir plötzlich zur Inszenierung für die Leute werden und umgekehrt, die zur Inszenierung für uns.
Wie ging es dann weiter…
Meine damalige Freundin hat im 20. Bezirk gewohnt. Dort habe ich beobachtet, wie die alten Wiener Weiber auf die Türken runter geschimpft haben, die die Straße bevölkert haben. Ich hab‘ dann ein Foto von 1900 gefunden, wo die Wiener selbst die Straße bevölkert haben. Mittlerweile kennt man das wieder, dass die Leute die Sessel rausstellen und auf der Straße leben. Dieses „den Stadtraum benutzen“ hat sich dann so verquickt mit dieser Erfahrung. Ich habe mir dann überlegt, wenn wir das jetzt so als fancy-dancy Kunstpartie fünf Mal in der Stadt machen, hat das wenig Impact. Sondern es geht darum, ein Modul zu schaffen, wo man Leute dazu verführt, es selbst zu tun.
Und wie waren die Reaktionen?
Wir waren damals am Titelblatt vom Falter und ein Jahr später hab ich’s dann wieder gestartet. Das hat sich gesteigert bis 2005. Ein Journalist hat mich damals gefragt, warum ich das Projekt wiederhole. Ich hab‘ dann gesagt: Wir machen das so lange, bis es ein Brauch geworden, bei dem man gar nicht mehr so genau weiß, wo der herkommt. Das war das Programm dieses Kettenspiels. Es hat aber doch sieben Jahre gedauert, bis es zum Selbstläufer geworden ist. Nach zehn Jahren haben wir dann beschlossen, jetzt ist das Projekt erwachsen und es sich selbst überlassen.
Mittlerweile haben solche
Frühstücke weltweit stattgefunden, in
Schweden,
Brasilien oder
Taiwan und sogar in
Papua-Neuguinea. Wie hat sich die Aktion derart verselbständigt?
Wir hatten eine Ausstellung in der Kunsthalle, bis dahin war es nur lokal. Es gab dann aber in Basel die Architekturausstellung „Instant Urbanism“. Die haben das nach Dänemark gebracht und dann nach Castelló in Spanien. Das Lustige ist, man kann den Start von solchen Frühstücksketten unmittelbar auf die Ausstellungen zurückführen. In Spanien gibt es vier oder fünf solche Gruppen, zum Beispiel Desayuno con Viandantes, die hoch aktiv sind.
Gab es jemals Probleme?
Am Schottentor hat uns einmal ein Eisverkäufer angezeigt, der Angst um sein Geschäft hatte. Ich hab‘ dann gesagt, das ist eine politische Versammlung und unser gutes Recht uns zu versammeln. Der Polizist ist dann entnervt von dannen gezogen. Man muss sich halt auch trauen. Das war für mich ein bisschen so ein Lackmustest für Zivilcourage oder wieviel tut man nicht, weil man gar nicht weiß, dass man es darf.
Ich hab nur zwei Frühstücke in meinem Leben angemeldet. Eines als Zivildiener, wo ich mit den Leuten aus dem Altersheim so ein Frühstück veranstaltet habe und einmal auf der Strudelhofstiege gegen Schwarz-Blau.
Permanent
Breakfast ist also auch politisch?
Ich finde es gut, wenn die Leute die Idee verändern und für ihre Zwecke verwenden. In Lateinamerika wurde das Frühstück teilweise auch als sozial-grenzüberschreitendes Projekt abgewandelt. An der Grenze zwischen einer Favela und einer noblen Wohngegend in Chile mit dem Ziel, von beiden Seiten Leute einzuladen. Und es hat geklappt.
In Israel wollten sie das auch an Checkpoints machen, aber ich habe mich da zurückgezogen und gesagt: "Das ist euer Ding". Andere wollten es dann in Spitälern machen, wo Palästinenser, Orthodoxe und Säkulare neben einander liegen.
Man muss halt aufpassen, dass das nicht völlig kotzig kommt, dass da irgendwelche "arty" Typen kommen und das Elend als Kontrastmittel für ihre Kunstaktion missbrauchen.
An wie vielen solchen
Frühstücken haben Sie schätzungsweise schon teilgenommen?
Es werden schon 100 gewesen sein.
Friedemann Derschmidt ist 1967 in Salzburg geboren und lebt als Dokumentarfilmer und bildender Künstler in Wien. Vor kurzem waren auch neuere Arbeiten von ihm im xhibit in der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz ausgestellt. Der „Reichel komplex“ ist ein Weblog in dem Friedemann Derschmidt seine Familie dazu eingeladen hat, sich heiklen Fragen zu Schuld und Involvierung der Familie im Zweiten Weltkrieg zu stellen.
Zu sehen war auch eine Fotoserie des israelischen Künstlers Tal Adler, der Landschaften in ganz Österreich untersucht hat und unsere Wahrnehmung im Kontext der lokalen und der nationalen Geschichtsschreibung hinterfragen wollte.
Mit Tal Adler ist Friedemann Derschmidt auch über die Frühstücke zusammen gekommen. Der war völlig begeistert von der Idee und wollte sie sofort nach Israel bringen. Daraus hat sich eine langjährige künstlerische und freundschaftliche Beziehung entsponnen. „Permanent Breakfast“ war also auch für Derschmidts künstlerische Laufbahn ein Selbstläufer.
Kommentare