Pandemie-Folgen: Fünf Prozent weniger Kulturschaffende in Schweiz
Die Zahl der Kulturschaffenden in der Schweiz ist im Corona-Jahr massiv zurückgegangen - am stärksten seit 2010. Je nach Berechnung lag dieser Rückgang bei fünf Prozent. Frauen sind mit einem Minus von 4,8 Prozent stärker betroffen als Männer (-4,5 Prozent). Kulturschaffende mit Teilzeitpensen (-8,5 Prozent bei einem Pensum von weniger als 50 Prozent) litten stärker als solche mit Vollzeitpensum (-3,1 Prozent), teilte das Schweizer Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag mit.
Olivier Moeschler, beim BFS Bereichsleiter Kultur, sieht hier einen gewissen Zusammenhang: "Beschäftigte in schwierigeren beruflichen Situationen sind härter betroffen", sagt er gegenüber Keystone-SDA. Und das seien häufig Frauen. Unter "schwierig" versteht er Kulturschaffende mit mehreren Beschäftigungen, mit kürzeren Verträgen oder solche, die noch nicht lange in Betrieben angestellt sind.
Auffällig ist zudem der markante Unterschied zwischen dem Kulturschaffen in Städten und in ländlichen Gebieten, wo der Rückgang mit einem Minus von 12,4 Prozent fast drei Mal so hoch war wie in den städtischen Räumen (-4,4 Prozent). In den Städten profitieren meist die größeren Theater-, Opern- und Konzerthäuser von Subventionen. Oder wie es Moeschler ausdrückt: "Die etablierten Teile der Kulturwirtschaft können sich eher über die Krise retten."
Insgesamt wurden 2020 zu den Kulturschaffenden 298.000 Erwerbspersonen gezählt; im Vergleich dazu waren es 2019 noch 312.000 Personen. Damit ist die Zahl 2020 um 4,7 Prozent gesunken. Besonders einschneidend erscheint dieser Rückgang vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Kulturschaffenden bis 2019 im Durchschnitt um 1,3 Prozent pro Jahr gestiegen ist.
Die Zahlen gehen aus der Statistik der Kulturwirtschaft des BFS hervor, in die die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung einfließt, sowie die Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen.
Gar 5,2 Prozent beträgt der Rückgang bei den Erwerbstätigen (ohne Erwerbslose) nach der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Im Vergleich zur gesamten erwerbstätigen Wohnbevölkerung der Schweiz (-0,2 Prozent) ist der Rückgang ebenfalls massiv und nur vergleichbar mit dem Gastgewerbe, wo ein Minus von 5,1 Prozent zu verzeichnen ist.
Wenn das BFS derartige Rückgange bei den Kulturschaffenden verzeichnet, stellt sich die Frage, wohin die Kulturschaffenden verschwunden sind. "Es sind nicht alle arbeitslos", hält Moeschler dazu fest. Aber ein Teil der Kulturschaffenden sei wohl umgestiegen.
Insgesamt rund 15 Prozent der Kulturschaffenden gehen zwei und mehr Beschäftigungen nach. Waren sie vor der Pandemie hauptberuflich in der Kultur tätig, haben nun wohl viele auf ihren Zweitberuf gewechselt. Hier wird die Zukunft zeigen, ob diese Berufsleute wieder in die Kultur zurückkehren. Moeschler als Soziologe zeigt sich pessimistisch: "Kulturberufe funktionieren häufig über Netzwerke; sind diese einmal weg, wird eine Rückkunft nicht so einfach."
Auch unter einem weiteren Aspekt zeigt sich, dass "die schwächste Gruppe am stärksten betroffen ist". Moeschler verweist darauf, dass das BFS Kulturschaffende in drei Gruppen einteilt: Erwerbstätige mit einem kulturellen Beruf im Kultursektor (-1,8 Prozent), wie beispielsweise die Musikerin im Orchester; nicht-kulturelle Berufe im Kultursektor (- 6,0 Prozent), etwa der Buchhalter in einem Theater; kulturelle Berufe außerhalb des Kultursektors (-7,8 Prozent), beispielsweise die Grafikerin in einer Bank. Die Betroffenheit der letzten Gruppe könnte deshalb am größten sein, vermutet Moeschler, weil Unternehmen, wie etwa die Bank, eher in den kulturnahen Bereichen als erstes sparen.
Ein Gutes zeige sich laut Moeschler dennoch. "Kulturschaffende im engeren Sinn, wie die Orchestermusikerin, sind am wenigsten betroffen." Das könnte immerhin darauf hindeuten, dass die Hilfen ankommen.
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